Bald steigt die Nervosität

Nach der Zwischensaison eröffnet man ein Hotel nicht einfach so per Schlüsseldreh. Während der Vorbereitungsarbeiten steigt der Zeitdruck laufend.

«Wir sind zu 90 Prozent parat», gibt sich Tatjana Jaggy zuversichtlich. Während sie das sagt, steht die Direktorin des Hotels «Fafleralp» im Lötschental in einer Baustelle. Um sie herum wuseln Menschen und lärmen Maschinen. Schreiner sägen Holz zurecht, zwei Techniker schrauben an der Mechanik einer elektrischen Schiebetüre herum und blockieren dabei immer wieder den Durchgang. Der Sanitär ist in den Duschen zu Gange. Zwischen den Arbeitern schlängeln sich die Angestellten des Hotels durch, putzen, schleppen Möbel von einem Ort zum andern und beziehen in den fertigen Zimmern die Betten. Wirklich, 90 Prozent?

Chaos ist normal

«So ein Endspurt wirkt immer chaotisch», winkt Tatjana ab. Sie muss es wissen, schliesslich ist es nicht ihre erste Saisoneröffnung. Sie ist bereits seit sechs Jahren dabei und hat sich in dieser Zeit Nerven wie Drahtseile zugelegt. Da bringt es sie nicht aus der Ruhe, dass übermorgen bereits Eröffnung und das Haus ausgebucht ist.

Doch dieses Jahr ist auch für sie speziell. Denn dieses Jahr wird nicht einfach das Hotel wieder für die Sommersaison bereit gemacht, im Nebenhaus «Langgletscher» sind auch die letzten Arbeiten einer grossen Sanierung im Gange. Was früher lediglich eine alte und dunkle Dependance für Gäste mit niedrigen Ansprüchen war, ist nun zu einem kleinen Juwel geworden. Es sind einfache, aber schöne und moderne Zimmer entstanden, dazu ein gemütlicher Aufenthaltsraum und ein Saal für Sitzungen, Yogastunden oder Versammlungen. «Nach mehreren kleinen Renovationsschritten in den vergangenen Jahrzehnten war eine Totalsanierung unumgänglich», sagt Tatjana. «Wir haben versucht, aus der Not eine Tugend zu machen und das Beste rauszuholen.» Mit jedem Tag sei sie überzeugter davon, dass dies gelungen sei. «Ich bin richtig begeistert. Es wird super.»

Putzen, putzen, putzen

Bis dahin steht aber noch viel Arbeit an. Nicht nur im «Langgletscher». Auch im Haupthaus, das einige hundert Meter weiter oben auf einer kleinen Anhöhe im Lärchenwald thront und im benachbarten «Chalet Chaplin», das seinen Namen vom berühmten ehemaligen Stammgast mit Vornamen Charlie hat. Bereits seit zwei Wochen ist die diesjährige Equipe am Werk: Dachrinnen reinigen, Fensterläden demontieren und einlagern, Wege fegen, die gesamte Bett- und Tischwäsche waschen, Warenlieferungen annehmen, vorkochen. Und putzen, putzen, putzen.

Das Team auf der «Fafleralp» ist sehr durchmischt. Da sind die Altgedienten, die bereits seit Jahren hier arbeiten. Teils leben sie im Tal, teils kommen sie jedes Jahr aus ihrer Heimat in Frankreich, der Slowakei, Portugal. Parallel zu den Vorbereitungsarbeiten werden die Neuen in ihre Aufgaben eingeführt. Einige von ihnen wollen sich hier einen Lebensmittelpunkt aufbauen, andere suchen eine Abwechslung von ihrem Alltag.

Wie zum Beispiel Pascal Senn. Er hat soeben sein Philosophiestudium abgeschlossen und liebäugelt damit, später in Bern im Politikbetrieb zu arbeiten. Aber vorerst steht eine Sommersaison im Service an, auf der abgelegenen Fafleralp, zuhinterst im Lötschental. Und viel Lernen. Wie das Kassensystem funktioniert, wo welches Material gelagert ist, aber auch, wo Wein und Lebensmittel herkommen und welche Geschichten die lokalen Produkte mit dem Hotel verbinden.

Altgedient hilft neu

«Ich bin zufrieden mit der diesjährigen Truppe, die wir verpflichten konnten», sagt Tatjana. Mitarbeiter zu finden, sei immer eine Herausforderung. Für jeden Betrieb im Gastgewerbe, aber hier oben nochmals besonders. «Hier gibt es nichts ausser der Arbeit und der Natur», sagt sie. «Man muss schon ein spezieller Typ Mensch sein, um damit klarzukommen.» Dass man so eng zusammenarbeitet und teilweise auch zusammen in Personal-Chalets wohnt, birgt natürlich Konfliktpotenzial. Wenn es gut läuft, stellt sich aber auch ein starkes Gemeinschaftsgefühl ein.

Auch jetzt, wenn es draussen schon dunkel wird und alle bereits einen langen Arbeitstag in den Beinen haben, herrscht ein bisschen Ferienlagerstimmung, auch wenn an Feierabend noch lange nicht zu denken ist. Schliesslich dauert es inzwischen nur noch anderthalb Tage, bis die ersten Gäste kommen. «Jetzt ist noch alles ruhig, aber bald steigt die Nervosität», prophezeit Tatjana. Mit einem Augenzwinkern fügt sie hinzu: «Aber hey, inzwischen sind wir schon bei 93 Prozent.»

Text und Video: Max Hugelshofer
Bilder: Yannick Andrea

Erschienen im März 2025

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