Churfirst des Tages: Selun

Vom Selun zum Chäserugg gezählt sind es je nach Zählweise sechs oder sieben Gipfel. Der Kleinste von ihnen hat einiges zu bieten: einen rätoromanischen Namen und eine wilde Geschichte um ein Findelkind.

Dass der Name dieses Gipfels rein gar nichts mit der Region zu tun hat, wissen nur wenige. Der Name Selun hat einen rätoromanischen Hintergrund und stammt vom Lateinischen «sol» für Boden ab. Der Name bezog sich zuerst nur auf die Alp unter dem Gipfel, denn bis vor rund 300 Jahren interessierten sich die Menschen nur für den bewohnbaren Bereich der Berge. Seit etwa 1430 ist die Alp unter dem Gipfel als Alp Salun oder Alp Silun überliefert. Erst später wurde der Gipfel über der Alp auch benannt. Der Einfachheit halber hat man dafür – wie oft üblich – jenen der Alp verwendet. Belebt war die Alp schon lange davor. Im Wildenmannlisloch am Selun hielten sich schon vor 30 000 bis 40 000 Jahren Neandertaler auf.

Churfirst des Tages

Die Churfirsten sind eines der markanten Wahrzeichen des Toggenburgs. Je nach Zählweise sind es sechs, sieben oder gar dreizehn. Wir stellen euch vier davon vor, jeden Tag einen.

Das Findelkind von der Alp Selun

Aber nicht nur der Gipfel, sondern auch eines der bekanntesten Findelkinder der Schweiz, erhielten den Alpnamen. Johannes Seluner wurde vor fast 180 Jahren auf der Alp Selun gefunden. Damals geschätzte 15 Jahre, war der Junge taub und stumm. Die Gemeinde Alt St. Johann nahm ihn zuerst in ein Armenhaus auf, später kam er nach Nesslau. Niemand konnte seine Herkunft feststellen. So benannte man ihn nach einer bekannten Person und der Alp, wo er gefunden worden war. Mit der Zeit rankten sich immer wildere Geschichten um ihn, so dass Menschen aus der ganzen Schweiz anreisten, um ihn anzusehen. Als er 1898 starb, wurde er laut den Überlieferungen unter grosser Anteilnahme der Bevölkerung bestattet. Später wollten Eugeniker an seinen Gebeinen feststellen, ob er einer minderen Rasse angehört hatte. Deren Theorie ging von «höher- und minderwertigen» Menschenrassen aus. Seluners Gebeine wurden nach Zürich gebracht, wo sie bis 2021 in einer Kiste des Anthropologischen Instituts lagen. Erst 2021 wurden seine Überreste erneut und endgültig im Toggenburg feierlich bestattet.

Johannes Seluner

Das Findelkind von der Alp Selun lebte von ca. 1828 bis am 10. Oktober 1898. SRF bi de Lüüt im Toggenburg widmete ihm einen kurzen Beitrag.
Kurzbeitrag SRF bi de Lüüt