«Die Älpler sind quasi im Kupferkessel geboren worden»

​In L’Etivaz im Kanton Waadt wird ein Käse produziert, der in die ganze Welt exportiert wird.

In L’Etivaz im Kanton Waadt produziert die Alpkäsekooperative «Coopérative des producteurs de fromages d’alpages L’Etivaz» den L’Etivaz AOP. Henri-Daniel Raynaud, der Präsident der Kooperative, erzählt von den Erleichterungen, die der Ausbau des Käsekellers im Jahr 2012 brachte, und von der Erfolgsgeschichte des Käses L’Etivaz AOP.


Berghilfe: Was ist das Spezielle am L’Etivaz?
Henri-Daniel Raynaud: L’Etivaz ist nicht gleich L’Etivaz. Der Käse entsteht nämlich nicht bei uns in den Gebäuden der Kooperative. Er wird von rund 70 Bauernfamilien in über 100 Alphütten in den Waadtländer Alpen produziert. Das Rezept ist überall das gleiche, aber jede Familie setzt es anders um und hütet natürlich ihre Geheimnisse.

Jeder Käse schmeckt also anders?
Ja. Wir haben natürlich strenge Qualitätsrichtlinien, aber der Geschmack unterscheidet sich je nach Alp. Das Land, die Höhenlage, der Boden, die Kräuter und die Sonneneinstrahlung beeinflussen den Geschmack der Milch und damit des Käses.

Und wann kommt der Käse zu Ihnen?
Die Bauern fahren jede Woche mit den frischen Laiben ins Tal. Im Käsekeller reift der Käse dann bis zu zwei Jahre.

Was verbindet die Landwirte mit dem Käse?
Die Produzenten sind extrem stolz auf ihren Käse. Die Käseherstellung ist meist eine Familientradition, die über Generationen weitergegeben wird. Wir haben sehr viele Junge in unserer Kooperative, die die Tradition weiterleben lassen, aber auch ihre eigenen Ideen einbringen. Sie sind sehr verbunden mit der Region und der Käseherstellung. Das Leben auf der Alp ist nicht leicht, die Arbeitsbedingungen sind hart und von Komfort kann man wahrlich nicht sprechen. Aber die Älpler sind quasi im Kupferkessel geboren worden. Ich glaube, sie könnten gar nicht anders, es zieht sie in die Höhe.

Die Käsekooperative hat eine grosse wirtschaftliche Bedeutung für L’Etivaz.
Das ist richtig. Zehn Personen arbeiten im Käsekeller und in der Administration, ausserdem sind drei Leute im „Maison de L’Etivaz“, dem Laden nebenan beschäftigt. Und die Landwirte erhalten durch die Veredlung ihrer Milch zu Käse rund den doppelten Preis pro Liter. Die Kooperative sichert Arbeitsplätze für die Einheimischen und behält die Wertschöpfung in der Region.

Das ist ja schon lange so, die Kooperative existiert nun seit 80 Jahren. Wie ist sie entstanden?
Die Käseherstellung hat eine jahrhundertelange Tradition im Pays-d’Enhaut. Um 1930 ging die Produktion jedoch stetig zurück, weil es immer schwieriger wurde, den Käse zu verkaufen. Um ihre Kräfte bei der Vermarktung zu bündeln, haben sich einige Landwirte zusammengeschlossen. 1934 wurde der erste gemeinsame Käsekeller eingeweiht.

Über die Jahre wurde die Kooperative immer grösser.
Ja. Unsere Produzentenfamilien stellen mittlerweile etwa 440 Tonnen L’Etivaz AOP pro Sommer her. Über die Jahre haben wir die Infrastruktur stetig vergrössert und verbessert. Die letzte Etappe war der Bau eines neuen Käsekellers im Jahr 2012. Wir haben das ursprüngliche Gebäude von 1934 abgerissen und neue Räumlichkeiten errichtet. Dabei hat uns die Schweizer Berghilfe unterstützt, ohne diesen Beitrag hätten wir schmerzhafte Abstriche am Projekt machen müssen, etwa beim Klimatisierungssystem.

Was hat sich durch den Neubau verbessert?
Der ursprüngliche Keller war so alt wie die Kooperative selbst und in punkto Hygiene nicht mehr ausreichend. Jetzt können wir durch das neue Klimatisierungs- und Lüftungssystem eine konstant hohe Qualität des Käses garantieren. Die Erneuerung hat ausserdem Platz für zusätzliche 7000 Laib Käse geschaffen.

Die Qualität des L’Etivaz hat sich herumgesprochen, er hat Liebhaber in allen Ecken der Welt.
Ein Grossteil unseres Käses wird in der Schweiz verkauft. Aber es stimmt, wir exportieren etwa 30 Prozent. Viel geht ins benachbarte Ausland, vor allem in Frankreich ist der L’Etivaz wegen seines intensiven Geschmacks beliebt. Wir haben aber auch Kunden in den USA, in Japan oder Russland. Viele Händler kommen jedes Jahr zur Degustation und reservieren ihre Laibe. Sie interessieren sich sehr für den Käse, kennen die Alpen auf denen er hergestellt wird und die Produzenten.

Was steht in naher Zukunft an?
Wir sind zufrieden mit der derzeitigen Produktionsmenge und möchten den guten Preis, den wir für unsere Produkte bekommen, gerne halten. Nun konzentrieren wir uns vor allem auf den Tourismus. Im Mai werden wir eine Ausstellung über die Alphütten und die Produktion eröffnen. Ausserdem können Besucher den Käsekeller besichtigen und die Familien auf der Alp besuchen. So wollen wir den Gästen die Geschichte des L’Etivaz AOP näherbringen.

Erschienen im Mai 2014
Die Schweizer Berghilfe leistet finanzielle Unterstützung, wenn das Geld nicht ausreicht, um ein zukunftsweisendes Projekt zu realisieren.