Diese Lehre macht sonst keiner

Michi Nef ist der einzige Weissküferlehrling der Schweiz. «Ich habe noch keinen einzigen Tag bereut, diesen Beruf gewählt zu haben», sagt er. Das alte Handwerk lernt der 18-Jährige bei Werner Stauffacher in Ennetbüel.

«Grüezi, ich bin der Werner. Michi und ich geben dir gerne Auskunft über unser Handwerk. Aber etwas musst du mir versprechen: Jedem, der deinen Artikel liest, muss sofort klar sein, dass ich nie von der Berghilfe unterstützt worden bin.» So begrüsst mich Werner Stauffacher in seiner Weissküferwerkstatt im Weiler Riet in Ennetbüel. Und stellt gleich klar: «Nicht dass wir uns falsch verstehen. Ich finde die Berghilfe eine super Sache und ich respektiere jeden, der ihre Unterstützung in Anspruch nimmt.» Aber bei ihm sei das zum Glück nie nötig gewesen. Werner ist es wichtig, zu betonen, dass er seine Firma alleine aufgebaut hat. Gegen teils grosse Widerstände. Das rechte Bein, das er beim Gehen nachzieht, ist einer davon. Es beeinträchtigt ihn, und es würde ihn zum Bezug einer IV-Rente berechtigen. «Ich bin froh, wenn ich sie nicht in Anspruch nehmen muss.» Aber davon wollte Werner nie etwas wissen. Er wollte es alleine schaffen.

Und das hat er. Heute führt der 62-Jährige erfolgreich eine der wenigen verbliebenen Weissküfereien in der Schweiz. Und indem er immer wieder mal einen Lehrling ausbildet, sorgt er dafür, dass sein geliebtes Handwerk nicht ausstirbt. Seit gut drei Jahren ist es Michi Nef aus dem nahen Appenzell Ausserrhoden, der bei Werner und seinem Angestellten René Lusti lernt. Er ist damit auch der einzige Weissküferlehrling der Schweiz. «Meine Eltern waren zuerst sehr skeptisch, als ich mich für die Weissküferei entschieden hatte», erzählt Michi. Sie hatten Angst, dass sich ihr Sohn eine brotlose Kunst aneignet und nach der Lehre keine Anstellung findet. Da hat Michi keine Bedenken: «Ich lerne so vieles, ich könnte ohne Probleme auch als Drechsler oder sogar als Schreiner arbeiten.» Doch das will er nicht. Die Weissküferei hat es ihm angetan.

Ein Handwerk mit viel Tradition

Weissküfer stellten traditionell das Sennengeschirr her. Also alles, was die Bauern traditionell brauchten, um die Milch ihrer Tiere zu verarbeiten. Vom Melkstuhl über den typischen Fahreimer, der an keinem «Öberefahre», Also Alpauf- oder Alpabfahrt und Viehschau Alpabzug rund um den Säntis fehlen darf, bis hin zum «Buder», also dem Butterfass. Ihren Namen bekamen die Weissküfer, weil sie für ihre Eimer das Handwerk der Fassmacher, also die Küferei betrieben, und weil ihre Produkte aus sehr hellem, fast weissen Holz sind und für die weisse Milch verwendet werden. Heute fertigen Michi, Werner und René aber auch Dekorationsartikel wie Pfeffermühlen, Sparkässeli, Garderoben, Serviertablette oder Blumenkübel. Alle aus einheimischen Hölzern, oft mit Schnitzereien verziert, immer von Hand hergestellt.

Besonders die Herstellung des Sennengeschirrs ist extrem aufwändig und die Produkte wären – wenn Werner die tatsächlich aufgewendeten Mannstunden als Basis für die Preisgestaltung nehmen würde – beinahe unbezahlbar. Warum macht er es dann? «Weil ich will, dass diese schönen, traditionellen Gebrauchsgegenstände weiterhin hergestellt werden, dass unser Handwerk am Leben bleibt. Um der Tradition willen», sagt Werner. Auch dem jungen Michi ist die Tradition sehr wichtig. Schon als kleiner Bub waren «Öberefahre» mit den Trachten mit dem historischen Sennengeschirr das ihn faszinierte. Er fing an, in seiner Freizeit zu schnitzen. Sujets für das traditionelle Silvester-Chlausen, kleine Figuren, alles Mögliche. Als dann die Berufswahl anstand, ging Michi zuerst in einer Schreinerei schnuppern. «Es hat mir gefallen, und ich hätte mir gut vorstellen können, dort die Lehre zu machen.» Doch dann absolvierte einer seiner Freunde bei Werner eine Schnupperlehre und berichtete Michi: «Für mich ist das viel zu filigran, aber für dich wäre dieser Beruf perfekt.» Der Rest ist Geschichte.

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In der Freizeit? Schnitzen!

Im Moment steht Michi an der Drehbank. Er arbeitet an einem grossen «Buder» und fertigt gerade die Sprossen, welche die beiden Seiten des Fusses zusammenhalten. Mit Schublehre und Bleistitft ausgerüstet, markiert er ein Kantholz und spannt es in die Drehbank ein. Dann fliegen die Späne. Immer wieder misst Michi nach, zeichnet etwas ein, wechselt das Werkzeug. Und langsam nimmt das Holzstück Formen an, werden Formen und Verzierungen sichtbar. Bedacht und geduldig, aber auch konzentriert und effizient wird Michi den ganzen Tag an den Einzelteilen seines «Buders» arbeiten. Und am Feierabend, was hat er da vor? «Da setze ich mich zu Hause sicher noch etwas hin und entspanne mich beim Schnitzen.»

Text und Bilder: Max Hugelshofer

Erschienen im September 2023

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