Ganz nah an den Bienli dran

Einer, der eigentlich nie an Wettbewerben teilnimmt, gewinnt. Eine, die Respekt vor Bienenstichen hat, versucht sich als Imkerin. Der Wettbewerb der Schweizer Berghilfe zum Weltbienentag brachte viel Unerwartetes.

«Ich hatte gleich dreifach Glück», sagt Christoph Streichenberg, der Gewinner des Wettbewerbs, den die Schweizer Berghilfe zum Weltbienentag in ihrem Newsletter ausgeschrieben hatte. Nicht nur, dass er aus knapp 400 Einsenderinnen und Einsendern als Gewinner gezogen wurde. Eigentlich nehme er nie an Wettbewerben teil.

«Aber hier fand ich das Thema einfach spannend und den Preis super», sagt er. «Einem Imker von ganz nahe bei der Arbeit zuzuschauen, eine solche Gelegenheit bietet sich einem nicht jeden Tag.» Zu guter Letzt sei es ein kleines Wunder gewesen, dass es mit der Gewinnbenachrichtigung funktioniert habe. Er nehme eigentlich nie das Handy ab, wenn eine unbekannte Nummer anrufe. Er sei aber gerade im Auto unterwegs gewesen und habe einen anderen Anruf erwartet. Er habe über die Freisprechanlage abgenommen, ohne aufs Display zu schauen. «Offenbar wollte das Schicksal unbedingt, dass ich gewinne», scherzt er. An einem Samstag ein paar Monate später ist es dann soweit. Christoph, seine Frau Gianna und die mittlere Tochter Linda sind auf dem Weg nach Klosters im Prättigau, um bei «Simi-s-Imi», der Imkerei von Simon Grischott, zu erfahren, was es alles braucht, bis der Honig im Glas ist.

Los geht es mit einem Rundgang durch die Imkerei im neuen Ökonomiegebäude der Imkerei, das mit Unterstützung der Schweizer Berghilfe entstanden ist. Simons Partnerin Simona zeigt, wie voll die Waben in ihren Kästen sind, wenn Simon sie von ihren in der Gegend verteilten Standorten zurückbringt, wie sie abgedeckelt werden und wie man dann den Honig herausschleudert. Streichenbergs dürfen selbst Hand anlegen und natürlich auch die verschiedenen Honigarten probieren, die bei «Simi-s-Imi» entstehen. «Es ist unvorstellbar, wie viel Arbeit in so einem Glas Honig steckt», sagt Gianna. «Das war mir so nicht bewusst.» Auch, wie wetterabhängig die Imkerei ist, beeindruckt die Wettbewerbsgewinner aus dem Kanton Aargau. Das beste Beispiel: Am Tag des Besuchs kommt nach einer längeren Schlechtwetterphase erstmals die Sonne raus. Das bedeutet für Simon und seine Familie: Vollgas geben. Auch am Wochenende.

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Trotzdem nimmt er sich später noch die Zeit, den Besuchern seine Bienenvölker im Alpgebiet und seine Königinnenaufzucht zu zeigen. Gianna wird immer stiller, je näher eine kleine Wanderung die Gruppe an die Bienenvölker führt. «Ich habe grossen Respekt vor Bienenstichen», sagt sie. «Ich bin mir nicht sicher, wie nahe ich mich rantraue.» Dass Simon kurz darauf spezielle Imkerjacken mit Kapuze und Netz vor dem Gesicht verteilt, lindert die Nervosität nicht. «Ich werde nur alle paar Wochen mal gestochen», versucht er zu beruhigen. Fünf Minuten später nimmt dann aber doch die Neugierde Überhand, und Gianna ist fast zuvorderst dabei, während Simon mit Hilfe seines Vaters Hans einen Bienenstock nach dem anderen öffnet, um die Königin zu suchen und in einigen Fällen zu isolieren. Dann nämlich, wenn sie nicht mehr leistungsfähig ist und demnächst ausgetauscht werden soll. So weit, wie ihr Mann Christoph, der sich von Simon eine Arbeiterdrohne auf den Finger setzen lässt, geht sie dann aber doch nicht. Auch wenn sie jetzt dank Simon weiss, dass nur die weiblichen Bienen stechen und die männlichen Drohnen gar keinen Stachel besitzen.

Es wird ein langer Tag mit vielen Eindrücken und viel neu Gelerntem. Tags darauf schreibt Christoph: «Danke für den unvergesslichen Bienentag. Es war wirklich beeindruckend. Wir werden noch etwas Zeit brauchen, um das alles richtig zu erfassen.»

Text und Bilder: Max Hugelshofer

Erschienen im Oktober 2024