Er macht sogar Steine zu Duft

Bei Patrick Lustenberger dreht sich alles ums Riechen, Schmecken und Fühlen. Seine ausgeprägte Sensorik nutzt der ehemalige Primarlehrer bei seiner Tätigkeit als Coach – und bei der Herstellung von Duftsprays.

Vor Patrick Lustenbegers Wohnungstür liegt eine Tüte voller Sanddorn-Äste. «Die hat mir meine Vermieterin hingelegt, die werden wir jetzt gleich verarbeiten», sagt er, während er den Besuch in die Küche seiner Ardezer Wohnung führt. Dort steht eine Art kupferner Topf mit einem Rohr obendrauf: seine geliebte Kupferdestille. In sie steckt Patrick alles Mögliche. Verschiedenste Blätter, Früchte und Hölzer, aber auch Erde, Moos und manchmal sogar Steine. Immer auf der Suche nach neuen Düften und Essenzen.

Jetzt ist aber erst mal der Sanddorn dran. Von Hand pflückt der 48-Jährige die orangen Beeren von den Ästen und legt sie zur Seite. «Das gibt Saft», erklärt er. Dann zupft er die länglichen Blätter von den Ästen und schneidet sie mit dem Messer in kleine Stücke. «Je kleiner, desto besser. So gibt es mehr Fläche, aus der das ätherische Öl austreten kann.»

Die geschnittenen Blätter gibt er nun in das Rohr seiner Destille, füllt unten Wasser ein und stellt das Ganz auf den Herd. Das kleine Thermometer fängt an zu steigen, man hört Wasser brodeln – und dann passiert lange gar nichts. Im Inneren der Destille geht aber die Post ab. Dort bildet sich Wasserdampf, der durchs Rohr aufsteigt und dabei die Essenzen der darin liegenden Blätter aufnimmt. Der Dampf wird in ein spiralförmiges Rohr geleitet, in dem er abkühlt und wieder flüssig wird. Von diesem Prozess bekommt man von aussen nichts mit. Es passiert erst wieder etwas, als der erste Tropfen Flüssigkeit ins bereitgestellte Glasfläschchen fällt. 40 Minuten später ist der Behälter voll. Sein Inhalt sieht aus wie nicht ganz sauberes Wasser. Obenauf schwimmt eine ganz dünne, ölige Schicht. Auf die hat es Patrick abgesehen. Es ist das ätherische Öl, das er für seine Arbeit braucht, die Essenz des Sanddorns. Mit einer Spritze saugt er das Öl vorsichtig ab und gibt es in ein kleines Fläschchen. Sieben Tropfen sind es diesmal. Arbeitsaufwand: deutlich mehr als eine Stunde.

Schwalben bringen Zitronen

Patrick besitzt einen ganzen Koffer voller solcher Essenzen. Alles, was im Unterengadin vorkommt, verarbeitet er selbst. Exotische Öle wie zum Beispiel Limette kauft er ein. Von den ausgewählten Ölen kommen nun wenige Tropfen in eine Mischung aus Wasser und 90-prozentigem Alkohol – fertig ist der Duftspray, den Patrick Quint-Essenz nennt. Es ist die Mischung, die es ausmacht. In der Butia da Besch in Ardez verkauft der gebürtige Innerschweizer vier verschiedene Duftrichtungen, die alle etwas mit dem Engadin zu tun haben. Etwa die Quint-Essenz «Randulins». Der romanische Name für Schwalbe bezeichnet im Engadin nicht nur die Vögel, sondern auch die Bewohner, die beginnend im 14. Jahrhundert das Engadin in Richtung Italien verliessen, es dort als Zuckerbäcker zu Wohlstand brachten und später für die Sommermonate wieder in die alte Heimat zurückkamen. Aus dem Süden brachten sie Zitronen und Orangen mit. Deren Schalen sind ein wichtiger Bestandteil des Dufts, der Leichtigkeit verströmen soll.

Alle Essenzen, die Patrick Lustenberger kreiert, sollen nicht einfach nur gut riechen, sondern etwas auslösen, eine bestimmte Stimmung verbreiten oder auch Ängste und Sorgen vertreiben. Das gilt vor allem für die ganz persönlichen Essenzen, die er gemeinsam mit seinen Kundinnen und Kunden in Coachingsituationen oder auch im Rahmen von Teamevents erstellt. Auch mit dem Team des Schafladens Butia da Besch in Ardez hat Patrick schon einen Workshop durchgeführt, in dem jede der Teilnehmerinnen ihre eigene Essenz herstellen konnte. Nach anfänglicher Skepsis waren zum Schluss alle begeistert und stolz auf ihren ganz persönlichen Duft. So begeistert, dass der Laden, der sonst eigentlich nur Schaf-Produkte anbietet, zum Verkaufsladen für Patricks Quint-Essenzen wurde.

quintessenz-qualitaet.com

Text: Max Hugelshofer

Bilder: Quintessenz-Qualität GmbH

Erschienen im September 2022

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