Wie gesund sind die alten Menschen in der Schweiz?
Kürzlich unternahm ich mit Freunden eine lange Wanderung im Berner Oberland. Da wurden wir von einem 86-Jährigen überholt. Er mache diese Runde drei- bis viermal pro Woche, erzählte er mir. Dieser Herr war so fit, da hätte ich schon fast neidisch werden können. Bei meiner Arbeit im Spital hingegen sehe ich natürlich vor allem diejenigen, denen es nicht gut geht.
Woran leiden diese Meschen?
An ganz unterschiedlichen Alters- und Wohlstandsgebrechen. Doch so divers diese Leiden sind, eines haben sie gemein: Ein Grossteil von ihnen hätte verhindert oder zumindest deutlich verzögert werden können. Nämlich durch eine bessere Ernährung und mehr Bewegung.
Es ist nun mal nicht jeder ein Spitzensportler…
Das ist auch gar nicht nötig. Sich fünf Mal pro Woche eine halbe Stunde lang bewegen, dabei auch mal etwas ausser Atem kommen – das reicht schon.
Die meisten Leute wissen ja, dass sie sich mehr bewegen sollten, tun es aber trotzdem nicht. Was machen Sie in solchen Fällen?
Da nehme ich meinen Rezeptblock hervor und verschreibe ganz offiziell einen täglichen, halbstündigen Spaziergang. Das ist bindend und macht viel mehr Eindruck, als wenn ich einfach gute Tipps geben würde. Oft braucht es ja nur am Anfang einen «Stupf», danach merken die Patientinnen und Patienten selbst, dass ihnen die Bewegung guttut.
Und wenn jemand vor lauter Schmerzen oder Übergewicht gar nicht mehr laufen kann?
Das macht die Sache natürlich komplizierter, aber bewegen kann man sich trotzdem. Zur Not auch im Spitalbett. Zu spät ist es nie. Aber es ist natürlich schon so: Wer sein ganzes Leben lang fit und aktiv war, hat es im Alter viel leichter als jemand, der erst mit Sport anfängt, wenn sich die Folgen seiner Bequemlichkeit nicht mehr ignorieren lassen.
Sie halten an den Informationsveranstaltungen übers Erben und Vorsorgen der Schweizer Berghilfe ein Referat zum Thema Bewegung. Wie ist es dazu gekommen?
Ganz einfach: Mein Chef hatte keine Zeit und ich keine Ausrede parat (lacht). Nein, im Ernst: Wenn es zeitlich drinliegt, mache ich solche Sachen sehr gerne. Ich halte auch Vorträge in Alterssiedlungen oder vor Angehörigen. Ich hoffe vor allem, dass ich so etwas zur Prävention beitragen kann, freue mich aber auch immer auf die spannenden Reaktionen aus dem Publikum. Die Berghilfe ist mir, der gerne in den Bergen unterwegs ist, sowieso sympathisch. Und ausserdem passt mein Beitrag ja sehr gut zum Thema «Vorsorgen». Ich finde es wichtig, dass man hier nicht immer nur ans Geld denkt, sondern auch an die Gesundheit.
Da gehört auch die Patientenverfügung dazu. Man hört ja immer, dass man eine solche unbedingt erstellen soll. Bringt die wirklich so viel?
In meinem Berufsalltag haben mir Patientenverfügungen schon hunderte Male Entscheidungen vereinfacht, mir geholfen, den Willen eines Patienten zu berücksichtigen. Deshalb: Ja, machen Sie eine Patientenverfügung, möglichst schon in jungen Jahren. Wichtig ist dabei gar nicht, welche Vorlage man verwendet oder wie fest man ins Detail geht. Wichtig ist, dass das medizinische Personal eine Idee bekommt, wie man tickt, was einem wichtig ist, und was man auf keinen Fall möchte.