«Mister Sägerei» lässt die Vergangenheit aufleben

In der alten Säge Mühletal wird noch so gesägt, wie vor 200 Jahren – ausschliesslich mit Wasserkraft. Werner Leppin kennt die alten Maschinen in- und auswendig. Sein Wissen gibt er an öffentlichen Führungen weiter.

In der Säge Mühletal beginnt die Arbeit mit einem Telefongespräch. Am Tag, bevor er sägen will, ruft Werner Leppin bei den Kraftwerken Oberhasli (KWO) an und bestellt Wasser. Denn das Gentalwasser, der Bach, der das Wasserrad der Säge speist, ist Teil des komplexen Systems der KWO zur Stromherstellung und führt deshalb normalerweise nur noch einen Bruchteil seiner ursprünglichen Wassermenge. Mit dem Bestellen des Wassers ist es aber nicht getan. Wenn Werner Führungen durch «seine» Säge auf dem Programm hat, beginnt er mit den Vorbereitungen jeweils ein paar Stunden, bevor die Gäste eintreffen. Sobald das Wasser kommt, macht sich Werner auf eine Kletterpartie. Bei der Wasserfassung, gut hundert Meter weiter oben am Bach, muss er zwei Schieber öffnen und so einstellen, dass die genau richtige Menge Wasser auf das Wasserrad trifft. Es ist eindrücklich, wie behände und trittsicher der 82-Jährige über den rutschigen Kanal aus Blech balanciert, der teils doch einige Meter über dem Boden der Felswand entlang verläuft. «Reine Übungssache», winkt der ab. Und: «Das Klettern hält fit.»

Werner ist schon lange «Mister Sägerei». Er habe sich schon immer für alte Technik interessiert. «Nach meiner Pensionierung fing ich dann an, mich im Verein Haslimuseum zu engagieren und mich um die Säge zu kümmern», erinnert er sich. Zuerst waren sie noch zu zweit, aber nachdem der Kollege unerwartet und früh starb, übernahm Werner die anstehenden Unterhaltsarbeiten und die Führungen alleine. Zum Glück habe er jetzt endlich einen Nachfolger gefunden, sagt er. Zurzeit arbeite er diesen ein, er wisse schon fast alles. «Ich habe zwar nicht die Absicht, bald aufzuhören und bin noch bei guter Gesundheit. Aber in meinem Alter weiss man halt nie…».

Zurück bei der Mühle steht nun die heikelste Phase bei der Inbetriebnahme der Säge an: das Starten des Wasserrads. Es reicht nicht, einfach den Wasserstrahl auf das Rad zu lenken. Auf diese Weise würde es sich ein Stück bewegen und dann blockieren. Dies, weil das Sägeblatt bei seiner Auf- und Ab-Bewegung nicht immer gleich viel Kraft benötigt. Wenn sich das Rad erst richtig dreht, ist das kein Problem mehr, aber um das Momentum aufbauen zu können, darf in den ersten Sekunden kaum Widerstand vorhanden sein. Dafür muss Werner alles perfekt positionieren. Dann gibt er dem Rad einen kräftigen Stoss und zieht gleichzeitig am Hebel, der das Wasser aufs Rad fallen lässt. Sofort setzt ein lautes Rattern, Quietschen und Rumpeln ein. Die uralten Holzzahnräder greifen ineinander, und die antike Maschinerie setzt sich in Gang. Das Sägen selbst sei nun vergleichsweise einfach, meint Werner. Er zieht an einem Hebel, und schon setzt sich das riesige Sägeblatt in Bewegung. Gleichzeitig wird der Baumstamm, der schon millimetergenau ausgerichtet und festgezurrt bereit liegt, automatisch in Richtung Sägeblatt bewegt. Eigentlich genauso wie in einer modernen Sägerei. Auf den ersten Blick einziger Unterschied ist das Zeitlupentempo, in welchem sich die Zähne durch den Stamm fressen und ein Brett davon abschneiden. Natürlich funktioniert im Hintergrund alles komplett anders als heutzutage. Und Werner kann seinem Publikum alles genau erklären und jede noch so technische Frage beantworten. Schliesslich kennt er jede Holzwelle und jedes Zahnrad in- und auswendig.

«Ich finde es einfach schön, ein solches Zeitdokument wie diese Säge am Leben erhalten zu können und mein Wissen an Interessierte weiterzugeben», sagt Werner. Dafür nimmt er auch eine weitere Kletterpartie in Kauf. Nachher, wenn die Führung vorbei ist und er oben im Bach die Schieber wieder schliessen muss.

www.haslimuseum.ch

Text und Bilder: Max Hugelshofer

Erschienen im Oktober 2024

Berghilfe unterwegs in Gadmen
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