Trinkgeld wird zur Spende

Helga Maurer betreibt tageweise eine kleine Bergbeiz. Verdienen will sie damit nichts. Stattdessen spendet sie das Trinkgeld der Schweizer Berghilfe.

Für Familie Maurer ist die Hütte auf der Alp Pargitsch ob Churwalden Rückzugsort, Kräutergarten und Skihütte. Und manchmal wird sie sogar zur Bergbeiz.

«Darf ich vorstellen: der Bock», sagt Helga Maurer. Der Bock, das ist ein Keramik-Kässeli in Form eines Steinbock-Kopfs. Etwas kitschig, ein ehemaliges Werbegeschenk der Graubündner Kantonalbank. Aber ihm kommt eine wichtige Rolle zu, wenn Helga und ihr Mann Andreas ihre Alphütte mal wieder zur Pistenbeiz oder als Lokalität für Kräuterkurse umfunktionieren. Er ist immer mit dabei, wenn Helga einkassiert, hat einen festen Platz im Holzkistli, neben dem Service-Portemonnaie, dem Bestellblock und den Kugelschreibern. «In den Bock kommt das Trinkgeld rein», sagt Helga. Und Trinkgeld, das ist im Falle der Alp Pargitsch gleichbedeutend mit einer Spende an die Schweizer Berghilfe. «Wir wollen mit diesem Beizli nichts verdienen. Darum behalten wir auch das Trinkgeld nicht selbst.»

Dass sie zur Gelegenheits-Beizerin geworden ist, hat Helga nie geplant. Ebensowenig, dass ihre ganze Familie fast untrennbar mit dem Dörfchen Churwalden verbunden sein würde. Angefangen hatte alles in den frühen 90er-Jahren mit einer gemieteten Ferienwohnung im Dorf. Einige Winter verbrachten Maurers aus dem Kanton Thurgau ihre Ferien und Wochenenden hier, dann bekamen sie die Ferienwohnung nicht mehr und es war Schluss. Bis sie Jahre später im Sommer wieder herkamen, um die neue Sommerrodelbahn auszuprobieren. Da entdeckten sie ein Schild, das auf eine zum Verkauf stehende Ferienwohnung aufmerksam machte. Und kurz darauf gehörte sie ihnen. Maurers verbrachten wieder ihre gesamte Freizeit in den Bündner Bergen, traten dem örtlichen Skiclub bei, lernten die Dorfbevölkerung kennen. Beide Kinder waren im Ski-Nachwuchs aktiv, integrierten sich ins Dorfleben. Als dann die Zeit der Lehrstellensuche kam, war für beide klar, dass sie im Bündnerland und nicht im Thurgau in die Lehre gehen wollten. Nadja fing ihre Ausbildung auf dem Tourismusbüro in Lenzerheide an, Robin die seine in einem Sportgeschäft in Churwalden. «Die Ferienwohnung wurde unsere WG», erzählt Nadja, die heute in Chur lebt und gerade zu Besuch auf der Alp ist. «Und ich wohnte die halbe Woche ebenfalls hier oben, damit die WG nicht ganz ausser Kontrolle geriet», lacht Helga. In dieser Zeit war Churwalden ihr offizieller Wohnort, und sie engagierte sich auch im Dorf und im Tourismus.

Gäste waren begeistert

Und wie kamen sie auf die Idee, mit dieser minimalen Infrastruktur eine Beiz zu eröffnen? «Mehr aus Jux malten wir einmal ein Plakat und spannten es bei der Skipiste vorne auf. Und die Leute kamen tatsächlich. Und waren begeistert.» Auch Maurers hatten riesigen Spass an diesem Tag, und da war klar, dass sie eine Bewilligung einholen und das Ganze wiederholen wollten. Die kommende Wintersaison wird bereits die dritte sein, in der die Beiz geöffnet hat. Allerdings nur dann, wenn Maurers Zeit und Lust dazu haben. «Feste Öffnungszeiten gibt es nicht. Wir entscheiden spontan, ob wir aufmachen und publizieren dies auf unserer Facebook-Seite», so Helga. Alles ist bewusst einfach. Zu essen gibt es kalte Plättli und Suppe, die Bedienung ist zwar herzlich, aber alles andere als perfekt, und wenn es viele Leute hat, wird es sehr geschätzt, wenn man sein Geschirr selbst an der Freiluft-Spüle vor der Hütte draussen abwäscht.

«Ich habe keinen Anspruch darauf, die perfekte Gastgeberin zu sein. Ich bin einfach gerne hier oben», sagt Helga. «Und ich teile meine Begeisterung gerne mit Leuten, denen es hier ebenso gut gefällt.» Die Idee mit der Spende an die Berghilfe hatte sie bereits ganz am Anfang. Und sie kommt bei den Gästen gut an. «Viele geben auch nochmals ein paar Franken extra, wenn ich ihnen davon erzähle.» Der Bock wird regelmässig geleert, und der aktuelle Pegelstand wird auf Facebook veröffentlicht. Sobald die für eine Projektspende bei der Berghilfe nötigen 1000 Franken zusammen sind, wählen Maurers ein Projekt aus, das sie unterstützen möchten. «Es wird sicher im Kanton Graubünden liegen», so Helga. Und wie lange muss der Bock noch gefüttert werden, bis es so weit ist? «Wir haben knapp Halbzeit.»

Text und Bilder: Max Hugelshofer

Erschienen im September 2017
Die Schweizer Berghilfe leistet finanzielle Unterstützung, wenn das Geld nicht ausreicht, um ein zukunftsweisendes Projekt zu realisieren.