Auf der Alp zu Hause

Die meisten Bergbauen verbringen nur den Sommer auf der Alp. Familie Vogel aber lebt fast das ganze Jahr auf ihrem Alpbetrieb.

Acht Monate lang produziert und pflegt Toni Vogel auf der Alp oberhalb von Sörenberg seinen «Eggkäse». Ein neuer Laufstall, der mit der Unterstützung der Schweizer Berghilfe gebaut werden konnte, erleichtert der Familie den strengen Alltag.

Die Strasse hinauf zur Küblisbühlegg führt an den Pisten des Skigebiets Sörenberg vorbei. Im Sommer ist sie gut befahrbar, im Winter bleibt man schon mal stecken wegen des Schnees. «Dann laufen wir nach Hause, holen den Traktor und ziehen das Auto hoch», erzählt Toni Vogel. Zusammen mit seiner Frau Regula und den sechs Kindern lebt der 49-Jährige die meiste Zeit des Jahres in der «Egg», wie die Familie die Alp oberhalb von Sörenberg nennt. 20 Minuten dauert die Fahrt mit dem Auto vom Talbetrieb der Familie in Flühli bis nach oben.

Die Egg gehörte schon Tonis Vater. Und dessen Vater und dem Grossvater – so ganz genau weiss man das gar nicht mehr. «Auf jeden Fall ist die Familie schon seit vielen Jahren dort oben», so Toni. Und es war auch schon immer so, dass Vogels länger als üblich auf dem Alpbetrieb lebten. Während acht Monaten ist die Egg die Heimat der Familie. Nur von Mitte Januar bis Mitte Mai ist sie in Flühli zu Hause. Natürlich gibt es auch handfeste Gründe, dass Vogels so viel Zeit auf dem Alpbetrieb verbringen. Einerseits besitzen sie oben mehr Land und somit gibt es mehr Heu für die Kühe. Mühsam ins Tal transportieren wollen sie das Heu nicht. Also bleibt die Familie mit dem Vieh in der Egg, bis alles verfüttert ist. Ausserdem stellt Toni bis Ende Oktober Käse her, und der braucht Pflege. «Vor allem am Anfang muss man sich täglich um die Laibe kümmern», erklärt Regula Vogel. Da ist es einfacher, gleich vor Ort zu bleiben. Während der Zeit in Flühli muss Toni nur noch einmal in der Woche zur Alp hoch, um den Käse einzureiben. Der «Eggkäse» ist die Haupteinnahmequelle von Familie Vogel. «Etwa 5000 Kilo produzieren wir jedes Jahr», sagt Toni. Verkauft wird direkt ab Hof sowie in den Hof- und Lebensmittelläden der Umgebung. In langen Reihen reifen die Laibe im Keller des alten Bauernhauses in der Egg.

Das Projekt in Kürze

  • Älpler
  • Neuer Laufstall
  • Sörenberg/LU

Mehr Platz und weniger Arbeit

Ganz und gar nicht alt ist der Stall neben dem Wohnhaus. Er wurde vergangenen Sommer gebaut, ist gross und hell und bietet in zwei abgetrennten Bereichen genug Platz für die knapp 40 Kühe und 80 Schweine. «Der alte Kuhstall entsprach nicht mehr den Tierschutzbestimmungen », erzählt Toni. Doch für einen Neubau reichte das Geld nicht. Im alten Anbindestall richtete er ein Provisorium ein, das den Vorschriften entsprach. Doch es war eng, dunkel und schwer zu reinigen. Längerfristig führte an einem neuen Stall kein Weg vorbei. Dank finanzieller Eigenleistung und der Zusicherung von Subventionen nahmen die Pläne Formen an. Doch erst als auch die Schweizer Berghilfe ihre Unterstützung zusicherte, konnten Vogels loslegen. «Ohne diese Hilfe hätten wir vermutlich überhaupt nicht bauen können», so Toni. Im neuen Laufstall stehen nun geräumige Liegeboxen für die Kühe bereit. «Das Ausmisten ist jetzt auch viel leichter», sagt Toni. «Zuvor musste ich den Stall komplett von Hand ausmisten, jetzt übernimmt eine Maschine den Grossteil der Arbeit.»

Wenn die Familie in der Egg ist, wird der Nachwuchs mit dem Schulbus zur Bushaltestelle gefahren und reist von dort mit dem Postauto weiter zur Schule in Flühli. Im Sommer transportiert der Schulbus jeden Tag rund 15 «Alpkinder» ins Tal und zurück. Elias (3), Patrizia (6), Veronika (8), Franziska (10), Stefan (11) und Kathrin (13) macht es nichts aus, länger als ihre «Gschpänli» auf der Alp zu wohnen, im Gegenteil. Sie leben gerne dort oben. «Weil es einfach schön ist!», erklärt Stefan. Veronika antwortet auf die Frage, ob es ihr nie langweilig wird auf der Alp: «Nein, nie!» Ihre Schwester Franziska vermisst in der Egg einzig die Badewanne und das Velofahren. Letzteres ist für die Kinder schwierig, weil die Wege nicht asphaltiert sind.

Während sich ihr Vater um die Kühe kümmert, sorgen die Kinder für ihre eigenen Tiere. Veronika hat Hasen, Stefan und Franziska Ziegen und Kathrin Hühner. Um die Tiere kümmern sich die Kinder ganz alleine. Für die Bauernkinder sind die Tiere nicht nur Zeitvertreib, sondern auch ein willkommenes Mittel, das Sackgeld aufzubessern. Stefan und Franziska haben ihre Geissen beim Nachbarn decken lassen. Die Jungtiere können sie später verkaufen. Und Kathrin verkauft die Eier ihrer Hühner. Hauptabnehmerin ist zwar immer noch Mutter Regula, aber der Grundstein für einen blühenden Eierhandel ist gelegt.

Text: Max Hugelshofer

Bilder: Yannick Andrea

Erschienen im Juni 2015
Die Schweizer Berghilfe leistet finanzielle Unterstützung, wenn das Geld nicht ausreicht, um ein zukunftsweisendes Projekt zu realisieren.