Baskischer Geschmack im Herzen des Juras
Die Familie Studer züchtet Schweine. Aber das ist längst nicht alles. Im tiefsten Inneren des Juras kreiert das innovative Landwirtepaar kulinarische Wunder.
Die Familie Studer züchtet Schweine. Aber das ist längst nicht alles. Im tiefsten Inneren des Juras kreiert das innovative Landwirtepaar kulinarische Wunder.
Der Mond ist kaum verschwunden über dem Hof von Mont-Lucelle, der noch vom morgendlichen Dunst umgeben ist. Es ist 7 Uhr, und die Schweine grunzen bereits. Es ist Zeit fürs Frühstück für die rund sechzig iberischen Schweine der Familie Studer. Die Tiere aus dem Baskenland mit den charakteristischen schwarzen Hinterteilen drängen sich vor den Eingang des Geheges und warten ungeduldig auf ihre Portion jurassisches Getreide.
Willkommen bei Joana und Joan Studer, einem Paar, das sich der Landwirtschaft verschrieben hat. Ihr Betrieb liegt in Lucelle, im tiefsten Inneren des Juras an der schweizerisch-französischen Grenze. Auch wenn hier die Zeit beinahe stehen geblieben zu sein scheint, so ist ihr landwirtschaftlicher Ansatz hochmodern. Die iberischen Schweine sind beispielsweise in der Region nicht heimisch, doch ihr Futter ist zu hundert Prozent lokal. «Wir produzieren das Getreide auf unserem Betrieb und sind quasi autonom», erklärt Joan Studer. Ein Schwein braucht normalerweise etwa 2,5 Kilogramm Getreide pro Tag. Hier nicht. Die Schützlinge der Studers fressen das Gras rund um den Hof. «Ich gebe jedem Tier etwa ein Kilo Getreide pro Tag. Die restliche Zeit weiden sie auf den umliegenden Wiesen. Dadurch ist ihr Fleisch auch reicher an Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren sowie an einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren», fügt er hinzu. So bewegen sich die Iberischen Schweine zwei Jahre lang rund um den Hof.
Vor dem nächsten Arbeitsschritt ist ein Halt beim Schlächter des Vertrauens angezeigt. Danach kommt der Schinken wieder in Joans Hände. Um jedes Detail besorgt, lässt ihm der Landwirt eine Behandlung zukommen, die eines Schönheitssalons würdig wäre. Zunächst verleiht er ihm eine appetitliche Form: Die Optik muss dem Geschmack entsprechen. «Das ist so etwas wie die Pediküre», scherzt Joan. Und nach der Pediküre? Die Epilation. Danach müssen die Venen entleert werden. Damit wird vermieden, dass sich Bakterien im Schinken vermehren, und dass das Fleisch einen schlechten Geschmack erhält. Diese Arbeit führt der Fachmann ausschliesslich von Hand aus. Danach ist es Zeit für die Massage. Joan knetet das Fleisch kräftig, um die Fasern aufzulockern, sodass das Salz bis in den letzten Winkel eindringen kann. Nach diesem Schritt bereitet er das Salzbett vor, in dem der Schinken mehrere Tage ruhen wird. Im Anschluss folgt die zwei bis drei Jahre lange Reifung.
Das Duo Studer weiss sich zu diversifizieren und wartet nicht tatenlos darauf, bis ihr Schinken zum Verzehr bereit ist. Joana und Joan arbeiten mit anderen lokalen Produzenten zusammen und haben eine GmbH gegründet. Seit Kurzem sind ihre Produkte auch in einem Geschäft im Marché Saint-Germain in Porrentruy erhältlich. Ausserdem haben sie beim Eingang zu ihrer Werkstatt, in der sie das Fleisch verarbeiten, einen Shop eingerichtet. So können sie ihre Produkte direkt verkaufen. Auf der Etage über dem Verkaufsraum durchlaufen die Schinken ihre zweite Etappe: die Reifung. Aufgehängt an den Balken des ehemaligen Hühnerstalls schaukeln sie im Rhythmus des Joran-Windes. Es ist der letzte Schliff, der diesem Schinken sein köstliches Aroma verleiht. Der Schinken der Familie Studer schmilzt beinahe im Mund und sorgt für eine regelrechte Geschmacksexplosion. Schweizer Geschmacksknospen sind sich so viel «temperamento» nicht gewohnt – und verlangen nach mehr.
Die Leidenschaft des Landwirtepaars beschränkt sich nicht auf die ungewöhnliche Schweinerasse. Ihre Liebe für seltene Arten zeigt sich auch in den anderen Tieren, die man auf dem Hof antrifft: Spiegelschafe, Salers-Rinder und Pottok-Ponys. Übrigens leben auch Letztere vorwiegend im Baskenland; einen Ursprung, den auch Joan und Joana Studer teilen.
Die Familie Studer produziert einen Schinken mit einem einzigartigen Geschmack, der sich komplett von den Produkten abhebt, die man im Einzelhandel findet. Tatsächlich widmet sich niemand anderes in der Schweiz der Zucht von baskischen Schweinen. Die Schweizer Berghilfe fördert ebensolche neuartigen Projekte wie das der Familie Studer. Durch die Unterstützung kreativer Visionen setzt sich die Stiftung für den Erhalt der Berggebiete ein. Der Beitrag der Schweizer Berghilfe hat es dem Paar ermöglicht, eine Werkstatt für die Verarbeitung und die Aufwertung von Schweinefleisch ins Leben zu rufen. «Wir konnten das Produkt zuvor nicht optimal fördern, weil wir schlicht den Ort dafür nicht hatten. Jetzt sind wir dabei, eine neue Mitarbeiterin zu schulen, damit sie uns bei dieser Aufgabe unterstützen kann», erklärt Joan.
Für die Zukunft plant er, mit der Herstellung von Käse zu beginnen: Die neueste Mitarbeiterin des Betriebs arbeitete zuvor in einer Käserei. Studers lassen wirklich keine Gelegenheit aus, um sich neu zu erfinden.