Das wilde Bier aus Bosco Gurin

In der einzigen deutschsprachigen Gemeinde im Tessin verwandelt Alfio Sartori Korn in Bier. Dass das Ergebnis so gut ist, liegt gemäss dem Brauer, der gleichzeitig auch Bäcker ist, am einzigartigen Bosco Guriner Wasser.

«Das Wasser macht es aus. Da bin ich mir sicher. Ich höre das auch von meiner Kundschaft. Also dass mein Bier einfach etwas Besonderes sei. Und abgesehen vom Wasser verwende ich ja die gleichen Zutaten wie alle anderen Brauer.

Angefangen hat alles als Hobby. Ich bekam eines dieser «Brauen für Anfänger»-Sets geschenkt und produzierte in der Küche meine ersten paar Liter Bier. Ich lud meine Freunde zum Probieren ein, und alle fanden, ich müsse unbedingt weitermachen. Also kaufte ich mir eine bescheidene, kleine Brauausrüstung. Damals arbeitete ich noch als Leiter der Poststelle hier in Bosco Gurin. Gebraut wurde am Feierabend. Nach und nach fand ich neue Kunden, konnte die produzierte Menge erhöhen, probierte neue Bierstile aus. Es lief gut, aber den Schritt in die Professionalität zu machen, getraute ich mich nicht. Bis die Post die Filiale in meinem Dorf aufhob. Da musste ich mich sowieso neu orientieren. Ich entschloss mich, in meinen gelernten Beruf als Bäcker zurückzukehren und übernahm die kleine Bäckerei meines Vaters. Weil Bosco Gurin so klein ist, lohnt es sich aber nicht, jeden Tag zu backen. Das mache ich nur in der Hochsaison. Deshalb reicht das Einkommen aus der Bäckerei auch nicht zum Leben. Also entschied ich mich, im Keller eine richtige kleine Brauerei einzurichten. Ich habe nun einen Braukessel mit 200 Liter Fassungsvermögen sowie zwei Tanks, in denen das Bier reift. Ich mache jede Woche einen Sud, komme so auf 100 Hektoliter Bier pro Jahr. Das reicht, um einige Restaurants in der Umgebung sowie Spezialitätenläden im ganzen Maggiatal sowie runter bis nach Ascona zu beliefern.

Das Projekt in Kürze

  • Bierbrauer
  • Einrichtung Brauerei
  • Bosco Gurin/TI

Mein Bier heisst Weltu. Das bedeutet in Walserdeutsch so etwas wie «der Wilde» und ist die Bezeichnung für ein Wesen, das sich den alten Sagen nach hier in den Wäldern und auf den Alpen herumtreibt. Weltu gibt es im Moment in vier verschiedenen Sorten. Angefangen hatte ich mit einem Amber-Bier. Das ist auch heute noch das beliebteste. Dann habe ich noch ein Pilsner, sowie ein IPA und ein Pale Ale im Angebot. Ich mache alles von A bis Z selbst. Das heisst, nein. Stimmt gar nicht. Beim Abfüllen in die Flaschen hilft mir mein Vater. Ich habe eine kleine Abfüllmaschine, die verhindert, dass der Schaum überquillt, aber eigentlich
ist es immer noch hauptsächlich Handarbeit. So wie fast alles hier. Weil die Brauerei im alten Dorfkern liegt, kann man nicht mit einem Auto oder Transporter zufahren. Und ein Sackrolli funktioniert auf dem alten Kopfsteinpflaster auch nicht. Darum trage ich die gefüllten Harasse halt immer einzeln zum Parkplatz herunter. Und alles Material natürlich auch von Hand rauf.

Dennoch bin ich super glücklich mit meiner neuen Brauerei. Ich habe jetzt alles hier, was ich brauche, die ganze Produktion ist auf einer Etage in einem kleinen Raum untergebracht und ich verdiene nun genug, um über die Runden zu kommen. Viel ist es nicht, aber das Leben ist hier oben auch nicht so teuer.

Mehr produzieren als jetzt möchte ich in nächster Zeit nicht. Verkaufen könnte ich zwar mehr, aber er würde auch alles viel komplizierter werden. Die Brauereieinrichtung käme rasch an ihre Grenzen und auch meine Tage sind nicht unendlich lang. Wenn ich einen weiteren Wachstumsschritt machen wollte, müsste ich jemanden anstellen. Wer weiss, vielleicht in ein paar Jahren. Bis dahin habe ich noch genug andere Ideen. Zuhause in der Küche probiere ich in meinem alten Braukessel weiterhin immer mal wieder ein neues Rezept aus. Vielleicht nehme ich ja irgendwann nochmals ein neues Bier ins Sortiment auf. Wichtiger ist mir vorerst aber, noch mehr Rohstoffe aus der Nähe zu beziehen. Bisher kam das Malz aus der Deutschschweiz. Kürzlich habe ich nun in Cadenazzo eine super Mälzerei entdeckt, die Tessiner Korn verarbeitet. Mein Pilsner habe ich bereits auf dieses Tessiner Malz umgestellt, die anderen Biere werden folgen. Klar, es kostet mich ein bisschen mehr. Aber das ist es mir wert. Ich bin sicher, dass sich das Tessiner Korn bestens mit unserem Bosco Guriner Wasser versteht.»

Text: Max Hugelshofer

Bilder: Yannick Andrea

Erschienen im August 2022

Die Unterstützung

Als Alfio Sartori seine Brauerei einrichtete, musst er nicht nur neue Geräte anschaffen, sondern am kleinen Raum im Keller seiner Bäckerei auch bauliche Anpassungen vornehmen. Bei diesen Investitionen unterstützte ihn die Berghilfe.
Die Schweizer Berghilfe leistet finanzielle Unterstützung, wenn das Geld nicht ausreicht, um ein zukunftsweisendes Projekt zu realisieren.