Der Ski mit dem Herz aus Holz

Wo entstehen die besten Skis der Welt? Fragt man Dano Waldburger und Andreas Dobler, ist die Antwort klar: im Weiler Steinegg bei Appenzell. Damit baldmöglichst viele andere Menschen diese Überzeugung teilen, führen die beiden Skiproduzenten regelmässig Skierlebnistage durch.

Die Appenzeller sind gut mit Geheimnissen. Nicht nur beim Käse und dessen Kräutersulz. Auch den Skis der Manufaktur Timbaer sieht man nicht sofort an, dass sie etwas Besonderes sind. Klar, sie sind schick designt. Die Variante mit Deckblatt aus Nussbaumfurnier sticht aus der Masse heraus. Aber das, was sie wirklich von den Skis aus industrieller Produktion unterscheidet, ist der Kern. Der besteht aus ganz dünnen Bambusschichten, die in einem patentierten Verfahren aufeinandergeschichtet und verleimt werden. Dieser Aufbau sorgt im Gegensatz zu einem Ski mit konventionellem Kern für mehr Flex bei gleichzeitig höherer Torsionssteifigkeit. Ein Timbaer lässt sich also mit relativ wenig Kraft durchbiegen, aber kaum verdrehen. Diese Eigenschaften sorgen dafür, dass es weniger Kraft als üblich braucht, um einen Carving-Schwung auszulösen und durchzuziehen.

Das Projekt in Kürze

  • Skimanufaktur
  • Neuer IT-Systeme
  • Appenzell/AI

Erster Ski war eine Abschlussarbeit

Ein sportliches Fahrverhalten mit weniger Kraftaufwand zu erreichen, das war bereits die Vorgabe für den allerersten Prototyp, den Andreas Dobler vor neun Jahren in der Schreinerwerkstatt seines Lehrbetriebs zusammengebaut hatte. Andreas war damals noch Schreinerlehrling, und der Ski entstand im Rahmen einer Abschlussarbeit. Bereits nach der ersten Probefahrt war Andreas klar, dass er hier eine Erfindung mit Potenzial gemacht hatte. Dieser Meinung war auch sein Berufsschulkollege Dano Waldburger, mit dem Andreas nicht nur die Liebe zum Arbeiten mit Holz teilte, sondern auch eine Vergangenheit als Skirennfahrer. Kurzerhand – und wie sie heute sagen, voller jugendlicher Naivität – beschlossen sie, eine Firma zu gründen und in Zukunft vom Skibau zu leben.

Heute, acht Jahre, viel Einsatz, mehrere gewonnene Preise und zwei zusätzlich entwickelte Modelle später, ist der Traum der eigenen Skimanufaktur Wirklichkeit geworden. Inzwischen konnten Andreas und Dano sogar einen dritten Mann anstellen, der sie in der Produktion unterstützt. Rund 400 Paar Skis fertigen sie pro Jahr. Viel mehr liegt nicht drin. «Wir müssen klein bleiben und die Prozesse schlank halten, weil die Produktion von Hand aufwändig und teuer ist», erklärt Dano. «Sobald wir zum Beispiel jemanden für die Administration anstellen müssten, würde es nicht mehr aufgehen.» Wo Potenzial zur Effizienzsteigerung bestand, haben die Timbaer-Gründer es genutzt. Etwa, indem sie eine professionelle Wachs- und Kantenschleifmaschine angeschafft haben und ihre ehemalige Standard- CNC-Maschine gegen ein viel komplexeres und teureres Modell eingetauscht haben. Es ist bislang die einzige derartige Maschine in der Schweiz. Gegen eine gezielte Mechanisierung haben Dano und Andreas nichts. Industriell zu produzieren kommt für sie aber nicht in Frage.

«Wir hätten keine Chance, die hohe Qualität zu halten», sagt Andreas. Also machen die noch nicht einmal 30-jährigen Unternehmer aus der Not eine Tugend und positionieren sich ganz bewusst als kleine, feine Skimarke.

Manufaktur statt Fabrik

Folgerichtig ist aus der Werkstatt keine Fabrik, sondern eine Manufaktur geworden, welche Dano und Andreas ihren potenziellen Kundinnen und Kunden auch gerne zeigen. Heute sind es Luzia Bachmann und André Arnold, die sich von Dano die Geschichte von Timbaer erzählen lassen, während sie Andreas zuschauen, wie er auf einer Werkbank bereits vorbereitete Beläge, Kerne, Kanten, Zwischen- und Deckblätter mit einem speziellen Zweikomponentenkleber bestreicht und aufeinanderschichtet.

Die beiden erfahren, dass der Markenname eine Mischung aus «Timber», dem englischen Wort für Bauholz und «Bär», dem Wappentier von Appenzell, ist und erleben mit, wie die aufeinandergeschichteten Einzelteile in die selbstgebaute Presse gelegt werden. «Spannend und faszinierend», lautet das einstimmige Urteil der beiden. Sie sind über ein neues Angebot, das Andreas und Dano gemeinsam mit dem Appenzeller Tourismusbüro ausgearbeitet haben, auf Timbaer aufmerksam geworden. «Skierlebnis Appenzell» heisst es und beinhaltet neben der Betriebsbesichtigung auch ein gemeinsames Nachtessen mit den Timbaer-Gründern, eine Übernachtung in einem Hotel und am nächsten Tag der Möglichkeit, alle Skis der Manufaktur auf den Pisten des
Skigebiets Ebenalp/Horn zu testen.

Überzeugt nach kurzer Fahrt

Weil die Schneeverhältnisse nicht gerade perfekt sind, gestaltet sich der Test am nächsten Tag nicht ganz so aussagekräftig, wie sich das Organisatoren und Gäste gewünscht hätten. Aber auch die kurzen Fahrten reichen aus, um sowohl André als auch Luzia zu überzeugen. Sie würden am liebsten je gleich ein Paar Skis mitnehmen. Ihr Wunschmodell ist aber gerade nicht an Lager, und so müssen sie sich noch ein bisschen gedulden, bis ihre persönlichen Timbaers in den nächsten Wochen produziert werden.

In Sportgeschäften gibt es übrigens keine Timbaer-Skis mehr zu kaufen. «Wir haben gemerkt, dass es zu unserem Produkt viel zu erzählen gibt. Wir kennen die Geschichte nicht nur am besten, die Kundschaft hört sie auch am liebsten direkt von uns», sagt Dano. «Am schönsten ist es deshalb, wenn Interessenten direkt bei uns vorbeikommen, sich in der Manufaktur umschauen und danach die Skis gleich mitnehmen oder im Online-Shop bestellen.»

timbaer.ch

Text: Max Hugelshofer

Bilder: Yannick Andrea

Erschienen im November 2023

Die Unterstützung

Als sich die Timbaer-Gründer entschieden, künftig ihre Skis nur vor Ort und online zu verkaufen, musste ein professioneller Webshop her. Weil sie ihr gesamtes Kapital kurz zuvor in eine neue CNC-Maschine gesteckt hatten, wurde es eng. Die Schweizer Berghilfe sprang ein.
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