Der Traum vom einfachen Leben

Auf Monti Doro ist das Leben noch einfach. Der Weiler ist nicht ans Stromnetz angeschlossen, und auch fliessend Wasser gibt es erst seit Kurzem. Der einzige Luxus: die Materialseilbahn, die verhindert, dass man alles hochbuckeln muss.

Heute ist Heuen angesagt auf Monti Doro, oberhalb von Chironico in der Leventina. Und zwar fast ausschliesslich von Hand. Es gibt einen kleinen Einachsmäher, aber alles, was der nicht schafft, wird mit der Sense gemäht. Die fehlende Motorisierung wird durch viele helfenden Hände ausgeglichen. Hier oben ziehen alle an einem Strick, ob Landwirtin oder Feriengast.

Monti Doro ist einer der vielen abgelegenen Tessiner Weiler, die im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs in der Nachkriegszeit aufgegeben wurden und leer standen, bis in den frühen 1970er-Jahren Austeigerinnen und Austeiger aus der Deutschschweiz neues Leben und für die damalige Zeit verrückte Ideen und Lebensentwürfe mitbrachten. Einer davon war Andi Grädel aus Biel. Als junger Mann fand er in der Gruppe von Wanderer und Wanderinnen auf Monti Doro das Leben im Einklang mit der Natur, das er immer gesucht hatte. Er blieb mehrere Jahre gemeinsam mit vielen Gleichgesinnten, lebte und arbeitete das ganze Jahr über auf Doro. Irgendwann hatte das Leben andere Pläne, der Aussteiger stieg wieder ein in die Gesellschaft, zog zurück in die Deutschschweiz, gründete eine Familie. Und doch: Einer von denen, die heute am engagiertesten mithelfen beim Heuen, ist Andi.

Das Projekt in Kürze

  • Transportseilbahn
  • Sanierung
  • Chironico/TI

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Den Charme erhalten

«Ich bin mein Leben lang nicht los gekommen von diesem Ort», lacht Andi. Er ist weniger oft dort, als er eigentlich möchte, aber er schaut immer wieder mal vorbei, um Doro-Luft zu schnuppern. Und um sicherzustellen, dass es weitergeht. Andi ist Präsident des Clubs Amici di Doro, der für den Bau und Erhalt der gemeinsamen Infrastruktur auf Doro gegründet wurde. Denn auch wenn heute alles deutlich strukturierter zu und her geht als in den Anfangstagen – das Ideal, dass man einander hilft, diesen schönen und wilden Ort am Leben zu erhalten, ist geblieben. Der Landwirtschaftsbetrieb läuft auf den Namen von Beat Bachmann. Er war etwa zur gleichen Zeit wie Andi nach Doro gekommen. Heute lebt er im Tessiner Talboden unten und betreibt ein kleines Architekturbüro. Im Gegensatz zu Andi verbringt er heute noch fast jede freie Minute auf Doro. Er hilft mit und steht mit Rat und Tat zur Seite. Doch die tägliche Arbeit verrichten jeweils für eine Saison zusammengestellte Teams von jungen Leuten, die das einfache Leben ausprobieren wollen.

Und einfach ist es immer noch hier oben. Auch wenn dank Solarzellen inzwischen fast jedes Häuschen zumindest genug Strom für Licht und zum Aufladen der Mobiltelefone hat. Und das Wasser nicht mehr am Brunnen geholt werden muss, sondern in den meisten Häusern aus dem Wasserhahn kommt. Kühlschränke sucht man allerdings immer noch vergebens, genauso wie Warmwasser. Und ihr Geschäft verrichten hier oben alle auf ihren Plumpsklos.

Die Unterstützung

Ohne Lastenseilbahn wäre das Leben auf dem Maiensäss Monti Doro kaum möglich. Als die Bahn wegen eines technischen Defekts unerwartet ausfiel, musste es darum schnell gehen. Die Schweizer Berghilfe sprang ein.
Was Sie tun können

Grossen Anteil daran, dass Monti Doro seinen ursprünglichen Charme erhalten konnte, hat die Tatsache, dass man es nur zu Fuss erreicht. Eine gute Stunde lang geht es steil bergauf. Immerhin müssen nicht alle Vorräte, Maschinen oder Baumaterialien hochgebuckelt werden. Seit 1985 gibt es eine Lastenseilbahn, installiert von der ersten Generation «Doroaner». Vor vier Jahren ging sie in den Besitz der Amici di Doro über. Der Verein investierte alles vorhandene Geld und stellte die Anlage auf Selbstbedienungsbetrieb um. Kurz darauf gab sie den Geist auf. Die Sanierung kam sehr teuer, weil ein defektes Zahnrad von Hand nachgebaut werden musste. «Ohne Unterstützung der Berghilfe wären wir aufgeschmissen gewesen», sagt Andi.

Mit dem Heuen sind sie inzwischen fertig. Die Helferinnen und Helfer setzen sich gemeinsam an den grossen Steintisch auf dem Dorfplatz und genehmigen sich ein Feierabendbier. Direkt aus dem Dorfbrunnen und deshalb auch ohne Kühlschrank wunderbar erfrischend.

Text: Max Hugelshofer

Bilder: Yannick Andrea

Erschienen im Januar 2025

«Zum Glück ist nie etwas passiert»

Die Transportseilbahn rauf nach Monti Doro ist ausschliesslich für Güter gedacht. Personentransporte sind absolut tabu. Das sah man früher nicht immer so eng. Viele alte «Doroaner» können sich an die eine oder andere «gfürchige» Fahrt in der schwebenden Holzkiste erinnern. Einmal machte es sich eine Handvoll Kinder sogar zum Spass, auf den Mast zu klettern, von dort aus in die vorbeifahrende Bahn zu springen und sich unter der Blache zu verstecken, um oben angekommen zu erschrecken, wer immer die Bahn ausladen wollte. «Die haben dafür schon damals einen ordentlichen Rüffel kassiert», erinnert sich Beat Bachmann. Die Sicherheit habe früher halt schon weniger Gewicht gehabt. «Zum Glück ist nie etwas passiert.»
Die Schweizer Berghilfe leistet finanzielle Unterstützung, wenn das Geld nicht ausreicht, um ein zukunftsweisendes Projekt zu realisieren.