Die Riesen von Soazza
In Soazza im Misox stehen die ältesten Kastanienbäume der Schweiz. Und sie brauchen Pflege.
In Soazza im Misox stehen die ältesten Kastanienbäume der Schweiz. Und sie brauchen Pflege.
Das Besucherzentrum Nosal in Soazza bietet Unterkunft für Schulklassen und Gruppen, die bei der Pflege des historischen Kastanienhains helfen.
Früher haben die Einwohner von Soazza den Mont Grand bewirtschaftet. Auf diesem Hang neben dem Dorf bauten sie Roggen, Buchweizen, Mais und Gemüse an und weideten ihr Vieh. Zwischen den Feldern und Wiesen auf den Trockenmauerterrassen wuchsen Kastanienbäume, die Schatten spendeten und deren Früchte ein wichtiges Grundnahrungsmittel waren. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg fanden viele Leute eine besser bezahlte Arbeit und gaben die Landwirtschaft auf. Innert weniger Jahrzehnte eroberte der Wald den Mont Grand. Schnellwachsende Fichten, Lärchen und Birken schossen in die Höhe. Darunter litten nicht nur die Kastanienbäume, die bald nicht mehr genügend Licht bekamen, sondern auch die Biodiversität.
«Die Kastanienselven sind ein sehr artenreiches Ökosystem», weiss Luca Plozza vom Amt für Wald und Naturgefahren des Kantons Graubünden. Deshalb, und weil die stämmigen Kastanienbäume eine wichtige Funktion im Schutzwald einnehmen, beschlossen Kanton, Gemeinde und Landbesitzer, die Kastanienselve im Mont Grand wieder in Stand zu setzen. Das war vor 20 Jahren. Heute ist das Gebiet wieder licht. Die Kastanienbäume haben wieder Platz zum Wachsen. Für manche kam die Rettungsaktion zu spät. Aber viele konnten erhalten werden. Darunter rund 30 kolossale Exemplare mit einem Stammumfang von über sieben Metern. «Diese Bäume sind zwischen 500 und 800 Jahre alt, die standen schon im Mittelalter hier», sagt Plozza.
Um den Kastanienhain zu erhalten und diese Landschaft, aber auch das Kulturgut den Leuten wieder näherzubringen, hat Plozza die Stiftung Mont Grand gegründet. «Wir bieten Schulklassen, Lehrlingsgruppen, Zivis und auch Privatpersonen die Möglichkeit, bei der Pflege der Kastanienselve mitanzupacken. Zum Beispiel beim Mähen und säubern der Wiesen oder beim Schneiden der Bäume.» Dafür hat die Stiftung mit Unterstützung der Berghilfe 2012 drei alte Rusticos in ein Besucherzentrum mit Gruppenunterkunft, Aufenthaltsraum und Küche umgebaut. «Von Mai bis September ist das Zentrum praktisch immer belegt», erzählt Plozza. Wegen der grossen Nachfrage haben sie dieses Jahr weiter oben am Hang – erneut mit einem Beitrag der Berghilfe – ein weiteres Rustico zu einem Gruppenschlafraum umgebaut. Ausserdem hat die Stiftung einen Biologen eingestellt, der Umweltbildungskurse und Führungen für die Besucher macht.
Die Kastanienfrüchte aus Soazza werden nur im kleinen Stil verwertet. Einmal im Jahr, im Oktober beim Kastanienfest, verkauft die Stiftung Mont Grand einen kleinen Teil davon. Der grosse Rest bleibt liegen und wird von den Hirschen gefressen. «Leider ist das Sammeln der Kastanien sehr aufwändig. Wenn wir jemanden dafür bezahlen müssten, würde das am Ende nicht rentieren», bedauert Lozza. Eine bessere Wertschöpfung bringt der Honig, den die Bienen im Kastanienhain sammeln und den man bei der Stiftung Mont Grand beziehen kann.
Der Kastanienhonig aus Soazza ist bestellbar bei alpinavera.ch.