«Dieser Honig ist schon fast eine Medizin»

In einem alten zerfallenen Stall im abgelegenen Aversertal züchtet Luzi Stoffel Bienen. Hier stellen die Bienen Honig von bester Qualität her.

«Nein, die Bienli sind kein Hobby. Es hat vielleicht so angefangen, damals in der Lehre in Lausanne, als ich das erste Mal so richtig mit der Imkerei in Kontakt gekommen bin. Aber heute sind die Bienen ein Standbein des Hofs meiner Eltern. Genau wie die Kühe, die Schafe und die Pferde. Wahnsinnig viel Ertrag hat es allerdings bis jetzt noch nicht gegeben aus dem Verkauf des Honigs. Das liegt daran, dass ich bisher nie mehr als zehn Völker halten konnte. Die Nachfrage ist aber so hoch, dass ich einen sehr guten Preis verlangen kann und trotzdem immer sofort ausverkauft bin. Hier im Aversertal herrschen ideale Bedingungen für einen superfeinen Honig. Man muss sich nur mal umschauen: die Hunderte verschiedene Blumen auf den Wiesen. Die geben dem Honig nicht nur einen einzigartigen Geschmack. Von jeder Blume nehmen die Bienen mit dem Blütenstaub auch deren heilende Eigenschaften mit. Mein Honig ist schon fast eine Medizin.

Dank dem neuen Stall kann ich die Zahl meiner Bienen langsam auf das Dreifache erhöhen. Da in einem Volk 25 000 bis 50 000 Bienen leben, werden bald mehr als eine Million Tiere für mich arbeiten. Dann steigt mit der Zeit auch die Menge des produzierten Honigs. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Ein möglichst hoher Ertrag steht für mich nicht an erster Stelle. Schliesslich sind wir hier auf einem Demeter-Bio-Hof. Ich ernte lieber ein paar Kilo Honig weniger, dafür habe ich gesunde und robuste Bienenvölker. Deshalb züchte ich auch selbst. Meine Bienen müssen zäh sein. Ich habe früher auch schon Bienen aus dem Flachland zugekauft. Die kamen mit den klimatischen Bedingungen hier oben auf 1800 Meter über Meer einfach nicht klar. Eine Weile lang waren die Erträge eindrücklich, dann starb bei einem Kälteeinbruch das ganze Volk.

Das Projekt in Kürze

  • Imker und Jungbauer
  • Umbau eines Bienenstalls
  • Campsutt/GR

Ja, es ist manchmal nicht einfach, hier oben zu leben. Dennoch war für mich immer klar, dass ich hierbleiben möchte und einmal den Hof meiner Eltern übernehmen würde. Allerdings finde ich es wichtig, ab und zu auch mal aus dem Tal rauszukommen und Neues kennenzulernen. Deshalb lasse ich mich im Moment in Basel berufsbegleitend zum Sozialpädagogen ausbilden. Ich eigne mir das theoretische Wissen an für etwas, dass ich eigentlich schon seit Jahren mache. Meine Eltern haben immer ein oder zwei Jugendliche auf dem Hof, die aus schwierigen Verhältnissen stammen und hier wieder auf die Beine kommen sollen. Manchmal bleiben sie mehrere Jahre. In diesem Bereich habe ich in den vergangenen Jahren auch immer mehr Arbeiten übernommen. Für den Jungen, der jetzt hier ist, bin ich zur wichtigen Bezugsperson geworden. Da hat man viel Verantwortung, und es ist nicht schlecht, wenn man sich nicht nur auf sein Bauchgefühl verlassen muss.

Meine sechs Geschwister haben alle einen grossen Bezug zum Tal. Und wenn es brennt, dann kommen alle helfen – auch die, die weit weg im Flachland wohnen. Mein Bruder, ein gelernter Steinmetz, hat mir beim Wiederaufbau des Bienenstalls geholfen. Der war völlig zerfallen, als ich ihn von den Erben des ehemaligen Besitzers geschenkt bekommen habe – mit der Auflage, ihn wieder herzurichten und zu nutzen. Er liegt mitten in der besten Blumenwiese. Es gibt in Campsutt keinen Platz mit mehr Sonnenschein. Und es hat dort auch genug Wasser, das ist wichtig für die Bienen.

Ohne Bienen keine Früchte

Als ich den Stall geschenkt bekam, war mir sofort klar, dass er der perfekte Platz für meine Bienen wäre. Also machte ich mich an die Arbeit. Ich investierte Monate an Arbeit und meine ganzen Ersparnisse. Gereicht hat es trotzdem nicht ganz. Erst als mir die Schweizer Berghilfe ihre Unterstützung zusicherte, wusste ich, dass mein Bienenstall wirklich Realität wird. Jetzt sind die gröbsten Arbeiten fertig. Bald werde ich die ersten Völker hierhin zügeln. Auch das ganze Material, das zur Honigernte nötig ist und bisher überall verstreut gelagert war, kann ich hier fest installieren. Ab dann sind die Bienen für den Erfolg verantwortlich. Wenn sie fleissig Nektar sammeln, sich brav vermehren und sich keine Krankheiten einfangen, dann leisten sie schon bald einen ordentlichen Beitrag ans Einkommen. Dann hat der Betrieb schon wieder ein Standbein mehr, wenn ich in ein paar Jahren den Hof übernehme.»

Wie wichtig Bienen für die Flora der Erde sind, ist der Menschheit erst in den vergangenen Jahren so richtig bewusst geworden. Ein rätselhaftes Bienensterben hat die Biologen alarmiert. Denn: Ohne Bestäubung durch die Bienen können sich viele Pflanzen nicht auf natürlichem Weg vermehren. In China werden deshalb mangels Bienen bereits ganze Apfelkulturen von Hand bestäubt. In Amerika sind Bienen so grosse Mangelware geworden, dass sie per Lastwagen von Plantage zu Plantage gefahren werden. Besonders anfällig für das noch kaum erforschte Sterben sind offenbar stark auf Leistung gezüchtete Bienen und solche, die den in der intensiven Landwirtschaft verwendeten Chemikalien ausgesetzt sind.

Text: Max Hugelshofer

Bilder: Yannick Andrea

Erschienen im August 2013
Die Schweizer Berghilfe leistet finanzielle Unterstützung, wenn das Geld nicht ausreicht, um ein zukunftsweisendes Projekt zu realisieren.