Doch noch Lust auf die «Tröten» bekommen
Aus der kleinen Werkstatt in einem «Chrachen» im Toggenburg direkt auf die Konzertbühnen der Welt: Die Blockflöten von Meyerrecorders gehören zu den gefragtesten überhaupt.
Aus der kleinen Werkstatt in einem «Chrachen» im Toggenburg direkt auf die Konzertbühnen der Welt: Die Blockflöten von Meyerrecorders gehören zu den gefragtesten überhaupt.
Die Blockflöte. Für die einen ist sie ein gefürchtetes Folterinstrument aus Kindertagen, für andere die Perfektion klassischer Musik. Für Joel Meyer und Madeleine Imbeck aus dem Toggenburg ist sie Alltag. In einem kleinen, abgelegenen Einfamilienhaus am Hemberg und dem dazugehörigen Schopf betreiben die beiden eine Flöten-Werkstatt. Mit viel Handarbeit, Geschick und Perfektionismus entsteht dort unter dem Label Meyerrecorders im Schnitt pro Woche eine Blockflöte. Und zwar eine, die von der Stammkundschaft auf der ganzen Welt gerne als beste Flöte überhaupt bezeichnet wird.
Angefangen hat alles mit einem unzufriedenen Musiker. Joels Vater Ernst, begeisterter Blockflötist und Musiklehrer in Appenzell Ausserrhoden, war mit der Qualität seines Instruments alles andere als zufrieden. «Das kann ich besser», sagte er sich und verbrachte seine Freizeit immer öfter an der Drehbank. Es dauerte Jahre, bis er seine erste Flöte fertig hatte. Und nochmals so lange, bis er mit der Qualität zufrieden war. Danach wurde aus dem Hobby langsam ein Beruf. Unter Profimusikern auf der ganzen Welt sprach sich herum, dass in der Schweiz einer ganz besondere Flöten produziert. Das Spezielle an den Meyer-Blockflöten: Sie können mit Ansatz gespielt werden, so wie das bei anderen Blasinstrumenten der Fall ist. Durch die Manipulation des Luftstromes können Klangfarbe und Dynamik eines Tones vielfältig verändert werden. Das eröffnet guten Flötistinnen und Flötisten viele neue Möglichkeiten, sorgt aber auch dafür, dass eine Meyer-Blockflöte schwieriger zu spielen ist. «Wir hatten auch schon Kunden, die sich dachten, mit einer unserer Flöten könnten sie ohne viel zu üben besser spielen. Leider war dann das Gegenteil der Fall», lacht Joel.Er selbst hat direkt auf einer «Meyerrecorder» zu spielen gelernt. Allerdings nicht etwa schon als Kind. «Ich bin zwar halb in der Werkstatt meines Vaters aufgewachsen, interessierte mich aber überhaupt nicht für Flöten», erinnert sich der 34-Jährige. Als Jugendlicher wollte er Sport treiben oder Party machen. Und ganz sicher nicht zu Hause sitzen und ein Instrument üben. Dem Teenager kam der Entscheid des Vaters, nach Paris auszuwandern, gerade recht. Er ging mit, absolvierte dort das Gymnasium und holte sich seine Dosis Grossstadtleben. «Mit Vaters Tröten wollte ich nichts zu tun haben.» Als er dann zwischen Gymiabschluss und Studiumsbeginn einige Monate freie Zeit hatte und Geld verdienen wollte, heuerte er aus Bequemlichkeit bei seinem Vater in der Werkstatt an. Schon nach wenigen Wochen hatte es ihm den Ärmel reingenommen. Das geplante Studium begann er nie, dafür lernte er von seinem Vater jeden einzelnen Schritt zur perfekten Flöte. Vom Bau des eigenen Werkzeugs über die Auswahl des richtigen Holzes bis hin zum Anpassen des Mundstücks auf die individuellen Vorlieben der Kundschaft. Und weil man während des Herstellungsprozesses eine Flöte immer wieder mal spielen muss, lernte er widerwillig auch das.
Deutlich mehr Begeisterung für das Instrument brachte seine Partnerin Madeleine mit. Sie ist studierte Flötistin mit internationalem Renommee. Als Jugendliche kaufte sie ihre erste «Meyerrecorder» und war beim Abholen und Anpassen in der Werkstatt von der Handwerkskunst fasziniert. Sie besuchte Ernst Meyer immer wieder mal, weil die Flöten regelmässig überarbeitet werden müssen. Zuerst noch in der Ostschweiz, dann in Paris, wo sie dann nach ihrem Studium ein Praktikum bei Meyers absolvierte. Dort funkte es dann zwischen ihr und Joel. Und bald gehörte sie fest zum Team.