Ein neuer Stall für zwei Familien
Familie Fetzer und Stoller haben ihre Betriebe zusammengelegt und für ihr Vieh einen gemeinsamen Laufstall gebaut.
Familie Fetzer und Stoller haben ihre Betriebe zusammengelegt und für ihr Vieh einen gemeinsamen Laufstall gebaut.
Zwei Familien – ein Stall. Fetzers und Stollers haben ihre Betriebe zusammengelegt und teilen sich jetzt die Arbeit. So hat jeder wieder mehr Zeit für anderes. Eine so enge Zusammenarbeit birgt aber auch Konfliktpotenzial. Trotzdem schaffen es die zwei Familien, Streit zu vermeiden.
Die «Betriebsnachfolger» sind alle versammelt. Sie sitzen in Stollers Stube auf dem Teppichboden, und wenn man sieht, wie sich die fünf Buben um das grosse Feuerwehrauto streiten, dann kann man froh sein, dass nicht sie es sind, die sich verpflichtet haben, für die nächsten 20 Jahre zusammenzuarbeiten. Diese Entscheidung haben ihre Eltern getroffen, Gabriela und Stefan Fetzer und Marianne und Stephan Stoller. Sie arbeiten seit Anfang 2012 täglich zusammen. Damals haben sie ihre beiden Bergbauernbetriebe zusammengelegt. Diese bilden jetzt eine Betriebsgemeinschaft. «Es war eigentlich der einzig logische Schritt», sagt Stefan Fetzer. Die Betriebe der beiden Nachbarn im Weiler Ried bei Frutigen/BE glichen sich wie ein Ei dem anderen: Kalberaufzucht, steiles Gelände, kürzlich erfolgter Generationenwechsel. Auch die Probleme waren die gleichen: Das Vieh war auf viele kleine Ställe verteilt, und die meisten davon erfüllten nur noch knapp die aktuellen Tierschutzvorschriften.
Beide Familien kamen nicht um einen Stallneubau herum. Bei einem Alleingang hätten die Kosten allerdings jedes Budget gesprengt. Also setzten sie sich zusammen und fingen mit der Planung eines gemeinsamen Laufstalls für alle Tiere der beiden Betriebe an. Der Bau dieses Stalls ist nun im Endspurt. Und die Kosten dafür sind gut ein Drittel niedriger, als sie es für zwei separate Laufställe gewesen wären. Dennoch waren sie für die beiden jungen Familien zu hoch. Stephan Stoller: «Es ist zwar gut, wenn man jung eine Betriebsgemeinschaft gründet. Allerdings hat man dann auch noch nicht genug Eigenkapital erwirtschaften können.» Das Projekt drohte zu scheitern, bis die beiden jungen Familien Unterstützung von der Schweizer Berghilfe bekamen. «Es ist nur dank diesem Zustupf gegangen», sagt Gabriela Fetzer. Ohne das zusätzliche Geld hätten sie zu wenig Sicherheiten für die nötigen Hypotheken und landwirtschaftlichen Kredite vorweisen können. «Ich weiss nicht, was wir dann gemacht hätten.»
Jetzt freuen sich alle auf den neuen Stall und die damit verbundene Arbeitserleichterung. Weil dann die Tiere nicht mehr an so weit verstreuten Orten betreut werden müssen, kann eine Person das Melken, Füttern und Ausmisten alleine erledigen. Die anderen Mitglieder der Betriebsgemeinschaft haben Zeit, sich um die Wiesen zu kümmern, oder einem Nebenverdienst nachzugehen. Stephan Stoller etwa arbeitet in Adelboden in einem Sportgeschäft und sitzt seit Kurzem auch im Frutiger Gemeinderat. Da ist er nicht unglücklich, wenn Stefan Fetzer einen etwas grösseren Teil der Arbeit leistet. Und dieser wiederum freut sich, in Zukunft auch mal für ein paar Tage wegfahren zu können: «Wir haben Verwandte in Deutschland. Die konnten wir bisher nur besuchen, wenn Gabrielas Eltern oder Geschwister für uns die Stallarbeiten übernahmen.» Probleme mit dem Verlust der Eigenständigkeit hat niemand in den beiden Familien. Und Angst davor, sich miteinander zu verkrachen eigentlich auch nicht. «Wir verstehen uns alle sehr gut und gehen am Sonntag gemeinsam in die Kirche. Es hilft sicher, wenn man einen ähnlichen Hintergrund hat und nach den selben Werten lebt», sagt Marianne Stoller. Ausschliesslich auf Gottes Wohlwollen vertrauen wollen die vier aber bei der Zukunft ihrer Betriebsgemeinschaft nicht. Sie haben sich gewissenhaft informiert und durch einen klaren Vertrag bereits viele potenzielle Streitpunkte ausgemerzt. «Wir haben aus Fehlern, die andere vor uns gemacht haben, gelernt», sagt Stefan Fetzer. Er ist sich sicher: «Wenn es Streit gibt, dann liegt das meistens daran, dass man Probleme nicht früh genug auf den Tisch bringt.» Deshalb sitzen die beiden Familien jede Woche einmal zusammen und besprechen alle offenen Fragen. Dann können auch gleich die Buben ihre Differenzen ums Feuerwehrauto klären. Aber eigentlich seien sogar bei den Kleinen die Streitereien eher eine Ausnahme, sagt Marianne Stoller: «Normalerweise haben sie es immer super miteinander.»