Ein Umzug an die Sonne
Das neue Haus von Familie Hochstrasser in Seehof bietet im Winter endlich genug Wärme. Da es so nahe beim Hof liegt, ist zudem die Arbeitserleichterung gross.
Das neue Haus von Familie Hochstrasser in Seehof bietet im Winter endlich genug Wärme. Da es so nahe beim Hof liegt, ist zudem die Arbeitserleichterung gross.
Vom schattigen Tobel auf den sonnigen Hügel – ein neues Haus bringt Licht ins Leben der Familie Hochstrasser. Ausserdem wird die Bewirtschaftung des Bergbauernbetriebs im Grenzgebiet der Kantone Bern, Jura und Solothurn viel einfacher.
Die sanften Hügel sind tief verschneit, der Schnee glitzert in der Sonne. Alles ist still, rundum kein Anzeichen von Zivilisation. Nur ganz oben auf einer Krete stehen ein Stall und daneben ein kleines Häuschen aus hellem Holz. Es ist in der Blockhaus-Technik gebaut und noch ganz neu. Seit einem guten Jahr ist es das Zuhause von Familie Hochstrasser. Vorher haben Martin und Bozena in Martins Elternhaus gewohnt. Dieses war zwar deutlich grösser, aber dafür alt, nicht richtig beheizbar und vor allem tief in einem schattigen Tobel gelegen. Im Winter schien dort die Sonne während mehrerer Wochen niemals hin. Das Haus steht immer noch, Hochstrassers nutzen es als Lagerfläche. Die Fahrt von dort zum neuen Haus dauert mit dem Jeep durch den hohen Schnee keine fünf Minuten. Und doch hat man, oben angekommen, das Gefühl, in einer komplett anderen Welt zu sein. Enge, Kälte, Dunkelheit und Feuchtigkeit werden abgelöst durch Ausblick, Licht und Offenheit. «Der Unterschied ist vor allem im Winter riesig», bestätigt Bozena. Sie, die nicht wie ihr Mann hier in den Bergen aufgewachsen ist, schätzt das sonnige Daheim besonders. «Dort unten konnte man im Winter schon den Koller bekommen.»
Doch dass es sich im neuen Haus viel angenehmer lebt, ist eigentlich nur ein schöner Nebeneffekt. Es vereinfacht vor allem den Alltag gewaltig. Weil es direkt neben dem Stall liegt, sparen Hochstrassers täglich viel Zeit bei der Bewirtschaftung des Hofs. Besonders im Winter ist alles viel einfacher. Nur schon, weil Martin nun, wenn Schnee liegt, nicht mehr fast drei, sondern nur noch knapp zwei Kilometer Zufahrtsstrasse vom Schnee befreien muss. Und Bozena kann jetzt einfach kurz in den Stall rübergehen, wenn der zweijährige David wieder mal unbedingt zu den Kühen will. Der Kleine ist absolut begeistert von den Tieren. Es sieht so aus, als hätte er die Liebe zur Berglandwirtschaft in den Genen. Er vertritt die vierte Generation von Hochstrassers hier oben über dem kleinen Dörfchen Seehof, im Grenzgebiet der Kantone Bern, Jura und Solothurn. Sein Vater Martin hat den Hof schon früh übernommen. Er war es auch, der vor zehn Jahren den neuen Laufstall gebaut hatte. Hier hält er 28 Kühe und deren Kälber. Damals waren schon Pläne da, gleich auch ein Wohnhaus auf der Anhöhe zu bauen. Aus Kostengründen wurde dann aber nichts daraus. Weil er alleinstehend war, machte es Martin nichts aus, weiterhin bei seiner Mutter zu leben. «Ich habe mich schon fast mit einem Junggesellenleben abgefunden. Es ist schwierig, eine Frau zu finden, die bereit ist, so abgelegen und bescheiden zu leben, wie wir es hier tun», sagt er. Doch dann setzte ihm das Schicksal seine zukünftige Frau fast vor die Haustür.
Bozena stammt aus Polen und hat jeweils im Sommer in der Ausflugsbeiz gearbeitet, die einen Hügel weiter steht, nur wenige hundert Meter von Hochstrassers Hof entfernt. Die beiden verliebten sich und führten im Winter jeweils eine Fernbeziehung. Dann zog Martins Mutter in die Nähe ihrer Tochter ins Flachland, und Bozena bei Martin ein. Ein bisschen Respekt hatte sie schon vor dem abgelegenen Leben. «Deshalb haben wir unserer Beziehung eine Probezeit gegeben, nachdem ich eingezogen bin. Zum Glück hat es sehr gut geklappt.» Einsam fühlt sich Bozena selten. «Ich kenne durch meine Arbeit im Restaurant hier in der Umgebung mehr Leute als Martin», lacht sie. Und da sie aus einer Bauernfamilie in einer sehr abgelegenen Provinz in Polen stammt, machte ihr auch das Landleben keine Mühe.
Fünf Jahre nachdem sich die beiden kennengelernt hatten, wurde geheiratet, und David kündigte sich an. Mit ihm wurde das Wohnungs-Problem wieder aktuell. «Wir mussten etwas tun», sagt Martin. Das alte Haus zu sanieren war keine Option. Das wäre viel teurer gekommen als das Holzhaus aus vorgefertigten Holzelementen, in dem die Familie nun wohnt. Trotzdem war der Bau ein finanzieller Kraftakt. «Ohne die Schweizer Berghilfe hätten wir es nicht geschafft», sagt Martin. Und auch so mussten einige Abstriche gemacht werden. Der Bau der geplanten Garage etwa wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Auch beim Haus selbst musste Martin über die Bücher: «Es wurde von Sparrunde zu Sparrunde kleiner und einfacher. Aber das macht nichts. Die Sonne und die Aussicht sind mehr wert als ein zusätzliches Zimmer.»