Eine Dorfgemeinschaft kämpft um ihren einzigen Laden
20 Kilometer müssten die Bewohner von Guttet-Feschel für frisches Brot zurücklegen, gäbe es nicht den Dorfladen.
20 Kilometer müssten die Bewohner von Guttet-Feschel für frisches Brot zurücklegen, gäbe es nicht den Dorfladen.
Wie grosse Ohrmuscheln horchen die weissen Parabolantennen oberhalb Leuk himmelwärts. Wer im Tal unten Susten passiert, kann sie nicht übersehen. Ganz anders das Bergdorf Guttet-Feschel, weiter oben Richtung Torrenthorn, auf 1300 Meter über Meer. Es befindet sich ausserhalb des Sichtfelds und ist weit weg vom Leben und Angebot unten im Tal. Umso wichtiger ist die letzte Einkaufsmöglichkeit oben am Berg. Die Einwohner stehen zusammen, als die Schliessung ihres Ladens droht.
Reben, so weit das Auge reicht. Mittendrin der mittelalterliche Ort Leuk. Unten einer der grössten Föhrenwälder der Alpen. Die Weite des Rhonetals. Und oben unzählige schneebedeckte Viertausender. Sie erinnern, wo man eigentlich ist: in einer Bergregion, in welcher die Menschen zusammenstehen müssen. Steil geht es auf einer schmalen Nebenstrasse bergwärts Richtung Guttet-Feschel. Zahlreiche Kehren später dann Ankunft beim Gemeindehaus, 600 Höhenmeter über dem Talboden, mitten im Dorfzentrum, direkt neben der Schule und der Kirche. Im Erdgeschoss befindet sich die einzige Einkaufsmöglichkeit weit und breit. «Hier trifft man sich», sagt Renata Schnyder, ehrenamtliche Präsidentin der Konsumgenossenschaft. Und sie fügt nachdenklich an: «Wenn ein Dorf keinen Laden mehr hat, geht auch zwischenmenschlich sehr viel verloren.»
Die Zukunft des Ladens war bis vor Kurzem ungewiss. Sicher ist aber: Eine Schliessung hätte alle hart getroffen. Für Lebensmittel und Artikel des täglichen Gebrauchs, für alles und jedes hätte man den weiten Weg ins Tal auf sich nehmen müssen. Zehn Kilometer runter, zehn rauf. Nicht nur für die jungen Familien im 450 Seelen zählenden Ort beschwerlich: sondern vor allem für die älteren, oft alleinstehenden Menschen ohne Auto. Guttet-Feschel ohne Laden? Undenkbar.
Doch obwohl ein Geschäft mit komplettem Sortiment vor Ort so wichtig ist, setzte im Laufe der Jahrzehnte eine Abwärtsspirale ein. Die letzte Sanierung lag fast 30 Jahre zurück, das Geschäft präsentierte sich wenig einladend. Die Kunden blieben mehr und mehr aus, die Stimmung wurde schlechter, die Kasse wollte sich nicht mehr genügend füllen – ein Teufelskreis. «Es war uns sehr unangenehm, dass wir die Rechnungen nicht mehr pünktlich zahlen konnten und unsere Lieferanten vertrösten mussten», erinnert sich Renata Schnyder.
Grosse Anstrengungen waren nötig, um das Ruder herumzureissen. Vom Vorstand der Konsumgenossenschaft und ihren 120 Mitgliedern ebenso wie von der Gemeinde, der Vermieterin. Alle waren sich einig: Hell und freundlich müsste der Laden sein, mit ansprechend präsentierten Waren, einem praktischen Regal für die ofenwarmen Brote, einer Theke für die Käseauswahl, einem Kühlschrank für die Getränke.
Doch die Mittel reichten nicht ganz für alle nötigen Sanierungsmassnahmen und Anschaffungen. Die Schweizer Berghilfe sprang ein. So konnte mit dem notwendigen Schwung und ohne Altlasten in eine neue Ära gestartet werden. «Ohne diese Hilfe», sagt Renata Schnyder, «wäre die Zukunft des Ladens nach wie vor ungewiss.» Ein neuer Boden, neue Farbe und die neue Einrichtung verwandelten ihn schliesslich wieder in einen kundenfreundlichen Ort. Man findet hier frisches Brot, Gemüse und andere Lebensmittel, lokale Spezialitäten wie Alpkäse oder Honig, Produkte für den Haushalt. Vier Teilzeitangestellte aus der Region bedienen ihre Kundschaft zuvorkommend, halten mit ihr während des Kassierens einen kleinen Schwatz und helfen jederzeit, wenn jemand ein Postgeschäft erledigen möchte. «Das schätzen gerade unsere älteren Kundinnen und Kunden ungemein», beobachtet Verkaufsleiterin Philomena Schmidt.
Mit vereinten Kräften konnten die Dorfbewohner von Guttet-Feschel die Schliessung ihres Ladens abwenden. Ein grosses Glück in einem Ort, der Gemeinschaft grossschreibt und beeindruckend viele Vereine zählt. «Die Menschen hier sind offen, freundlich und hilfsbereit», sagt Verkaufsleiterin Philomena Schmidt. Ihre Mutter sei in Guttet-Feschel aufgewachsen, erzählt sie. Und sie selber, gross geworden in Luzern, sei als erwachsene Frau zurückgekehrt und habe hier mit ihrem Mann zwei Söhne grossgezogen. Renata Schnyder, Mutter zweier kleiner Kinder, hat bereits als kleines Mädchen gewusst, dass sie ihr Leben hier verbringen will. Für die beiden Frauen steht fest: «In diesem Walliser Ort bleibt man gern, hierhin kommt man gerne zurück, hier oben ist die Heimat.»