Einfaches Produkt, viel dahinter

Ein kleines Stück Holz, gelb angemalt. Viel einfacher geht es nicht. Doch hinter den Gartenetiketten, die Heinz Tschiemer in Habkern produziert, steckt viel Wissen, Handwerk und Erfahrung.

Wer kennt sie nicht, die knallgelben Holzetiketten, die man dazu braucht, im Garten die Beete zu beschriften? Aber woher stammen die eigentlich? Erstaunlicherweise nicht aus China, Skandinavien oder dem Baltikum, sondern aus dem Berner Oberland. Das Holz dafür wächst schon seit Jahrzehnten in den Wäldern rund um Habkern, wo die Sägerei der Familie Tschiemer liegt. Hergestellt wurden die Etiketten bis vor kurzem in Kehrsatz bei Bern, heute findet die Produktion ebenfalls in Habkern statt.

Peter Studer, auch «Etiketten-Studer» genannt, sass bereits als Kind immer mittwochabends – wenn im Radio ein Hörspiel lief und die Kinder länger aufbleiben durften – gemeinsam mit seinen Geschwistern am Stubentisch und verpackte Etiketten. In den 1970er-Jahren übernahm er das Geschäft, das seit 1917 in Familienbesitz war. Peter kaufte bei Tschiemers das passende, langsam gewachsene Fichtenholz einbiegbar und gut zu beschriften – und verarbeitete es in seiner Werkstatt in vielen Arbeitsschritten zu Etiketten. Als er sein Geschäft altershalber abgeben wollte und keinen Nachfolger fand, erzählte er das seinem langjährigen Holzlieferanten Hans Tschiemer. «Das wäre vielleicht etwas für meinen Sohn Heinz», meinte dieser

Das Projekt in Kürze

  • Werkstatt zur Holzverarbeitung
  • Aufbau Werkstatt
  • Habkern/BE

Erfahrung mit altem Handwerk

Heinz hat schon einmal ein altes Handwerk übernommen und nach Habkern geholt: die Produktion von Alphörnern. Auch dort war der ehemalige Besitzer Kunde der Sägerei. Heinz hat die Abläufe optimiert, mit Unterstützung der Schweizer Berghilfe in moderne Maschinen investiert und einen gut laufenden Betrieb aufgebaut. «Es ging mir darum, die Wertschöpfung nach hier oben zu holen», sagt er. Mit den Etiketten sah Heinz eine weitere Möglichkeit, die familieneigene Sägerei besser auszulasten und durch die Produktion vor Ort keine Margen an Zwischenhändler abgeben zu müssen. Also baute er einen halbverfallenen Anbau an seinem Wohnhaus wieder auf und richtete dort mit den von Peter Studer abgekauften Maschinen eine Etikettenwerkstatt ein. «Interessant ist, dass man die Etiketten dann produzieren kann, wenn sonst wenig Arbeit anfällt», sagt er. So kann eretwa seinen Allrounder Jurij Gaberc dann in der Etikettenwerkstatt einsetzen, wenn in der Sägerei und auf dem ebenfalls zum Betrieb gehörenden Landwirtschaftsbetrieb wenig läuft.

Die Unterstützung

Um Platz für die vielen Maschinen zur Produktion von Holzetiketten zu haben, sanierte Heinz Tschiemer einen halbverfallenen Anbau und baute dort eine Werkstatt. Die Schweizer Berghilfe unterstützte ihn dabei.

Komplexität unterschätzt

Doch erst müssen Heinz und Jurij lernen, wie man die Etiketten herstellt. Dazu ist Peter Studer angereist, schaut den beiden auf die Finger, korrigiert und gibt Tipps. «Ich habe es komplett unterschätzt», gibt Heinz zu. «Ein so einfaches Produkt, aber es steckt so viel dahinter.» Weil das Endprodukt sehr billig ist – eine Etikette verkauft Heinz für rund 1,5 Rappen – steht und fällt alles mit der Effizienz. Kein Handgriff darf zu viel sein, der Ausschuss muss auf ein Minimum beschränkt werden. «Ich hatte mehr als 60 Jahre Zeit, das kleinste Detail zu optimieren», sagt Peter. «Heinz und sein Team müssen das jetzt halt erst lernen.» Noch hat er den Satz nicht ganz fertig, da unterbricht er sich, schaut zu einer der knapp zehn gleichzeitig laufenden Maschinen und sprintet los. Weil er gehört hat, dass die Pumpe der Farbzufuhr komische Geräusche macht, kann er eine grössere Sauerei verhindern. Ein paar gelbe Spritzer im Gesicht ist alles, was er abbekommt.

An der Fräse hat Jurji inzwischen langsam den Dreh raus. Und Heinz kann die Maschine, welche die langen Holz latten zu kleinen Etiketten zurechtstutzt, inzwischen selbst bedienen. Es geht in die richtige Richtung. Und schon bald wird die Produktion auch ohne Peter laufen. Immer dann, wenn in Sägerei, Alphornwerkstatt und Bauernbetrieb zwischendurch ein paar Stunden Flaute herrscht. Und die Sonne scheint. Denn betrieben werden die vielen Maschinen, wenn immer möglich mit eigenem Strom von der
Photovoltaikanlage auf dem Stalldach.

bernatone.ch

Text: Max Hugelshofer

Bilder: Yannick Andrea

Erschienen im Juni 2024

Die Schweizer Berghilfe leistet finanzielle Unterstützung, wenn das Geld nicht ausreicht, um ein zukunftsweisendes Projekt zu realisieren.