Endlich sicher seilen

Ein einfaches Leben am Puls der Natur: Monte Cés ist ein Gegenentwurf zum modernen Alltag.

Für ein paar Tage leben wie vor fünfzig Jahren. Ohne warm Wasser, ohne Kühlschrank, dafür mitten in der wunderbaren Bergwelt der Leventina. Das ist möglich. Auf dem Monte Cés oberhalb von Chironico.

Mit einem satten «Plonk» kommt der schwere Fotorucksack in der schräg hängenden Holzkiste der Transportseilbahn zu stehen. Es liegt bereits eine Kettensäge samt Zubehör drin. Offenbar gibt es oben in Monte Cés etwas zu sägen, und der Besitzer hatte verständlicherweise keine Lust, die Ausrüstung die 442 Höhenmeter hochzubuckeln. Für solche Fälle gibt es die Transportseilbahn. Auch für das Gepäck von Besuchern, für die Lebensmittel, die oben im kleinen Dorfladen verkauft werden, für Baumaterial und manchmal auch für ein Kalb, das der Bauer von seinem Betrieb ins Tal bringt.

Die Talstation besteht aus nicht viel mehr als einem Pfosten, an dem das Seil befestigt ist, und einem unscheinbaren grauen Kästchen. Öffnet man es, sieht man sich einem vorsintflutlichen Kurbeltelefon gegenüber. Aber es funktioniert tatsächlich. Wenn oben jemand im Maschinenhäuschen der Seilbahn ist und das Klingeln hört, dann kann man miteinander reden und den Befehl zur Abfahrt geben. Heute funktioniert das natürlich meist per Handy, aber wenn mal kein Empfang vorhanden ist, dann leistet das alte Telefon immer noch gute Dienste.

Es dauert ein paar Minuten, dann fängt das Seil an, leicht zu vibrieren, und die Kiste mit den Lasten schwebt lautlos steil den Berg hinauf. Bis auch die Besucher oben in Monte Cés sind, haben sie noch eine einstündige Wanderung vor sich.

Das Projekt in Kürze

  • Stiftung zur Wiederbelebung von Cés
  • Erneuerung der Seilbahn
  • Monte Cés/TI

Aussteiger zieht es ins Tessin

Die Wiederbesiedlung von Monte Cés geht zurück in die frühen 1970er-Jahre. Damals beschlossen einige Idealisten, den verlassenen und halb zerfallenen Weiler wieder zum Leben zu erwecken. Aus der Idee einer Gruppe von Aussteigern entstand eine Stiftung, die auf Monte Cés nun mehrere Häuser besitzt, Gäste betreut, Gärten bewirtschaftet und die Landschaft pflegt. Ausserdem gelang es, wieder einen kleinen, ganzjährig geführten Landwirtschaftsbetrieb anzusiedeln. Es gibt inzwischen ein Kleinwasserkraftwerk und fliessend kaltes Wasser, doch das Leben ist weiterhin ein bewusst Einfaches. Als Kühlschrank dient der Dorfbrunnen, wer warm duschen möchte, muss erst einfeuern. Dieses Leben nahe der Natur kommt bei den Gästen gut an. Mehrere Familien verbringen hier Jahr für Jahr ihre Ferien, und immer wieder mieten sich Klassenlager in das grösste Haus ein. «Gerade für Jugendliche aus der Stadt ist es ein Erlebnis, mal auf all den gewohnten Komfort zu verzichten», sagt Christoph Müller von der Stiftung.

Dazu gehört auch, dass man Monte Cés nur zu Fuss erreicht. Immerhin sorgt die Transportseilbahn dafür, dass man sein Gepäck nicht selber schleppen muss. Doch der Antrieb der Bahn war in die Jahre gekommen war. Immer wieder hatte der alte VW-Motor Pannen und fiel aus. Schlimmer war jedoch die Bremse. Diese musste beim Runterlassen der Bahn von Hand mit viel Gefühl bedient werden. Unfälle gab es dennoch immer wieder. «Verletzt wurde zum Glück nie jemand, aber es gab immer wieder Schäden am transportierten Material und auch an der Transportkiste», so Christoph. Es war allen Nutzern, der Stiftung Monte Cés sowie einigen Tessiner Familien, die auf dem Monti ein Wochenendhäuschen besitzen, klar, dass es so nicht weitergehen konnte. Man einigte sich auf eine Arbeitsteilung. Die Einheimischen würden die Montage übernehmen, die Stiftung würden sich um die Finanzierung des neuen Antriebs und er Steuerung der Bahn kümmern. Allerdings besitzt die Stiftung kaum Bargeld. Also rührte sie die Werbetrommel und sammelte bei nahestehenden Personen über 20 000 Franken. Ganz reichte es aber trotzdem nicht. Erst, als die Schweizer Berghilfe auch noch einen kleinen Beitrag sprach, konnte der neue Antrieb bestellt werden. Nun ist die Bedienung der Bahn ganz einfach. Und vor einem Unfall muss auch niemand mehr Angst haben.

cesnet.ch

Text: Max Hugelshofer

Bilder: Yannick Andrea

Erschienen im August 2015
Die Schweizer Berghilfe leistet finanzielle Unterstützung, wenn das Geld nicht ausreicht, um ein zukunftsweisendes Projekt zu realisieren.