Entlebucher Kräuter gegen den Durst
Das Kräutergetränk «zämä» ist nicht nur eine alkoholfreie Alternative im Ausgang, sondern bringt auch hippe Jungunternehmer aus der Stadt mit Bergbauern aus dem Entlebuch zusammen.
Das Kräutergetränk «zämä» ist nicht nur eine alkoholfreie Alternative im Ausgang, sondern bringt auch hippe Jungunternehmer aus der Stadt mit Bergbauern aus dem Entlebuch zusammen.
Die Motorsäge verstummt. Dann knirscht es und wie in Zeitlupe neigt sich die Tanne, bevor sie mit einem Krachen auf der Wiese aufschlägt. Bergbauer Ueli Renggli schiebt das Gittervisier des Holzerhelms nach hinten und begutachtet den liegenden Baum. «Unten kann man einige Äste nicht gebrauchen, aber oben sind sie sehr schön». Für einmal geht es nicht um Bau- oder Brennholz, wenn die Motorsägen dröhnen, sondern um Tannennadeln.
Denn Tannennadeln sind einer der Bestandteile des neuen Getränks «zämä swiss original», mit dem eine Handvoll Freunde aus Luzern den Getränkemarkt revolutionieren will. Geschäftsführer Tino Scherer erklärt, was «zämä» ist: «Ein alkoholfreies, aktivierendes Erfrischungsgetränk mit reinen, handverlesenen Schweizer Bergkräutern, hergestellt im Herzen der Schweiz.» Gegründet wurde «zämä» in den gemeinsamen Ferien. Phil Bucher, einer der Mitgründer aus dem Wallis, sagte bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit «zämä!». Und die anderen – allesamt im Marketing, in der Grafik oder als Fotografen tätig – fanden, das sei der perfekte Name für ein neues Produkt. Welches das sein sollte, war zunächst jedoch unklar. Irgendwann kamen sie auf Getränke und machten sich an die Recherche. Sie kamen zum Schluss, dass gerade im Ausgang eine coole Alternative zu den alkoholischen Getränken fehlt. Besonders eine, die nicht wie der beliebte Mate vom anderen Ende der Welt stammt. Die Freunde holten sich mit einem Getränkeexperten das fehlende Fachwissen ins Boot und begannen zu pröbeln. Nach vielen Degustationsrunden standen die Zutaten fest: Brennnesseln, Hirtentäschel und eben Tannennadeln. «Es war uns wichtig, die Zutaten möglichst aus der Nähe zu erhalten», sagt Tino. So seien sie mit der Genossenschaft Entlebucher Kräuter in Kontakt gekommen.
Diese Genossenschaft besteht aus rund 15 Bauernfamilien, die im Entlebuch verschiedenste Kräuter anbauen oder wild sammeln. Auf dem Hof von Familie Renggli werden sie getrocknet. Seit vergangenem Sommer sorgt dort eine neue Trocknungsanlage für die doppelte Kapazität. «Das war dringend nötig», sagt Ursula Renggli. «Wenn auf allen Feldern die Kräuter gleichzeitig erntereif waren, gab es manchmal Warteschlangen.» Heute, an diesem Nebeltag, ist das kein Problem. Die frisch abgeschnittenen Tannenzweige kommen direkt vom Wald in eine der beiden Trocknungskammern. Später wandern sie in grosse Säcke, bevor der langwierigste Teil der Arbeit beginnt: Mit Sieb, Argusaugen und spitzen Fingern müssen Ästchen und Rindenstücke aussortiert werden. Eine Arbeit, die Rengglis gerne abends im Kreis der Familie machen.
Die Tannennadeln müssen nicht extra angebaut werden. Bei den Brennnesseln sieht das anders aus. Die wachsen zwar auch wild, aber um auf die von den «zämä»-Machern benötigten Mengen zu kommen, braucht es mehr. So hat eine Bergbauernfamilie im vergangenen Sommer erstmals ein Brennnesselfeld angelegt. Mittlerweile wachsen die Pflanzen recht gut. Schwieriger ist die Lage beim Hirtentäschel. Versuche, diese Pflanze anzubauen, sind fehlgeschlagen. Bergbäuerin Pia Bieri hat es probiert, aber der Aufwand war riesig, der Ertrag bescheiden. «Wir setzen künftig auf die Wildsammlung, können den Bedarf jedoch nur zu einem bescheidenen Teil decken», sagt Sandra Steffen, Präsidentin der Genossenschaft. Den Rest müssen Tino Scherrer und seine Freunde in der Ostschweiz bestellen. Zum Glück braucht es nicht tonnenweise Hirtentäschel, um «zämä» herzustellen. Ausser, die jungen Luzerner haben tatsächlich das neue Schweizer Nationalgetränk erfunden.
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