«Gfürchige» Erfahrung in der Seilbahn
Zum Bauernbetrieb von Familie Wyrsch gehört auch eine Seilbahn. Und die ist das Verkehrsmittel Nummer eins.
Zum Bauernbetrieb von Familie Wyrsch gehört auch eine Seilbahn. Und die ist das Verkehrsmittel Nummer eins.
Ein neuer Stall für Mutterkühe und Geissen sorgt dafür, dass der Betrieb von Max und Anita Wyrsch auch in Zukunft eine Familie ernähren kann. Obschon er zumindest im Winter nur per Seilbahn erschlossen ist.
Eigentlich ist die fünfjährige Jasmin Wyrsch eine erfahrene Seilbahnerin. Sie wohnt mit ihrer kleinen Schwester Luzia und ihren Eltern auf der hinteren Diegisbalm in Wolfenschiessen im Kanton Nidwalden. Wenn sie mit Mami einkaufen geht, nimmt sie die Seilbahn. Auch wenn sie die Spielgruppe besucht. Und weil sie ja schon gross ist und weiss, auf welchen Knopf man in der Seilbahn drücken muss, verkündet sie eines Tages, dass sie jetzt ihre Freundin, das zwei Jahre ältere Mädchen vom Hof nebenan, ins Tal von der Schule abholen gehe. Alleine. Der Einwand ihrer Mutter, dass der Föhn kräftig wehe und es vielleicht etwas ungemütlich sein könne, lässt sie kalt. Sie ist gross. Sie geht jetzt. Zwanzig Minuten später steht sie wieder da, etwas bleich um die Nase: «Mami, das nächste Mal darfst du wieder mitkommen.»
«Man muss die Kinder ihre Erfahrungen machen lassen. Es war wohl ziemlich gfürchig. Aber passieren konnte ja nichts. Und natürlich habe ich sie im Auge behalten», schmunzelt Anita Wyrsch, als sie von Jasmins Seilbahn-Abenteuer erzählt. In den kleinen Weiler oben am Berghang, wo Wyrschs ihren Bergbauernhof haben, führt zwar im Sommer eine Strasse. Der Umweg ist aber so gross, dass diese nur benutzt wird, wenn etwas Schweres transportiert werden muss. Ansonsten ist für alle Bewohner die Bahn das Verkehrsmittel Nummer eins. Sie gehört der Familie Wyrsch. Als Max und Anita vor einigen Jahren den Bauernbetrieb übernommen hatten, war die Seilbahn mit dabei.
Eigentlich wäre die Seilbahn ja eine Chance für einen Nebenverdienst. Wanderer und Gleitschirmflieger werfen ein paar Münzen in die Kasse, wenn sie mit der Gondel fahren, und auch die Nachbarn bezahlen für die Nutzung der Bahn. Doch die Bahn läuft auch für Wyrschs nicht gratis. Regelmässige Kontrollen, Ersatzteile, Schmiermittel – all das kostet. «Die Konstruktion unserer Seilbahn erfordert einen viel grösseren Wartungsaufwand als bei anderen Bahnen», erklärt Max. Verschleissteile wie zum Beispiel die Rollen auf den Masten müssten häufiger ersetzt werden. Einige dieser Probleme konnte Max inzwischen durch den Einbau von besserem Material ausmerzen, an anderen Stellen lässt sich die Lebensdauer mit sorgfältiger Pflege verlängern. Am Anfang sei er ein bisschen überfordert gewesen. «Inzwischen höre ich bereits von weit weg, wenn an einem Masten ein Lager gewechselt werden muss», sagt Max.
Viel Zeit kostet die Seilbahn trotzdem. Und Zeit war knapp in letzter Zeit. Denn Wyrschs sind seit gut einem Jahr mit dem Bau eines neuen Stalls beschäftigt. Die vielen kleinen Ställe, in denen die Tiere bislang untergebracht waren, sind nicht nur sehr arbeitsintensiv zu bewirtschaften, sie entsprechen auch nicht mehr den Tierschutzvorschriften. Der neue Stall, den Wyrschs mit Unterstützung der Schweizer Berghilfe bauen konnten, war unumgänglich. Ausserdem ermöglicht er den Ausbau des zweiten Betriebszweigs neben der Mutterkuhhaltung: die Ziegenmilchproduktion. Im neuen Stall, der demnächst fertig wird, kommen nebst den zehn Mutterkühen mit ihren Kälbern auch dreissig Ziegen unter. Deren Milch wird in Dallenwil in der Käserei verarbeitet. Die Nachfrage nach Ziegenmilch ist gross, und so gibt es auch einen anständigen Literpreis. Ins Tal transportiert wird die Milch übrigens per Seilbahn. Ganz alleine. Auch bei Föhn.