Haare schneiden statt Schweine füttern

Marina Loosli hat im ehemaligen Schweinestall einen Coiffeursalon eingerichtet.

Früher grunzten hier die Schweine. Heute schneidet Marina Loosli am selben Ort die Haare von Freunden, Nachbarn und Verwandten. Der neue Coiffeursalon in Le Fuet im Berner Jura ist Geschäft und Treffpunkt zugleich und bringt den Looslis einen willkommenen Zustupf.

Über der Eingangstür bröckelt der Verputz, die Beleuchtung besteht aus einer nackten Glühbirne. «Hier muss noch einiges getan werden», sagt Adrian Loosli fast ein bisschen entschuldigend und öffnet die Tür zu einem hellen, modernen Eingangsbereich. Gegensätzlicher könnten Aussen- und Innenansicht kaum sein: Frisch gestrichene weisse Wände, hellgraue Bodenplatten – in diesem Bereich des Hauses wurde offensichtlich schon einiges getan. Links vom Eingang, abgetrennt durch eine Wand, steht ein Coiffeurstuhl mit Haarwaschbecken, ein grosses Fenster spendet viel Licht und macht den kleinen Coiffeursalon zu einem hellen, freundlichen Ort. Diese wenigen Quadratmeter sind das Reich der 30-jährigen Marina Loosli. Hier wäscht, schneidet, färbt, wickelt und frisiert die Coiffeuse seit zwei Jahren die Haare ihrer Kundinnen und Kunden. Wer nicht weiss, wie der Eingangsbereich früher aussah, kann kaum glauben, was Adrian Loosli erzählt: «Gleich nebenan war früher unser Schweinestall mit vier Mutter-sauen, ihren Ferkeln und acht Galtsauen.»

Adrians Vater hatte den im Hausteil integrierten Stall im Jahr 1982 gebaut. Dem Bauer aus Le Fuet, einem kleinen Dorf im Berner Jura, brachten die Schweine ein kleines Zusatzeinkommen. 25 Jahre später gab er den Schweinestall auf, weil dieser die gesetzlichen Bestimmungen nicht mehr erfüllte. «Nach den neuen Tierschutzvorschriften hätten wir nur noch zwei Muttersauen und vier Galtsauen halten dürfen. Das lohnte sich nicht mehr», erinnert sich der 37-jährige Adrian Loosli. So stand der Stall mehrere Jahre leer. Inzwischen hatten Marina und Adrian den Hof übernommen, zu dem 15 Milchkühe mit ihren Jungtieren sowie 20 Hektar Land gehören. Adrians Eltern bauten nebenan ein Stöckli für sich, die Jungen füllten das Haus bald mit Nachwuchs: 2007 wurde Noah geboren, 2009 Léane, weitere zwei Jahre später Sina und 2012 Méline. Kinder, Hof, Haushalt und Geschäft bringt die aufgestellte Mutter und Coiffeuse gut unter einen Hut. «Natürlich muss man sich organisieren, aber zu Hause arbeiten zu können, macht vieles einfacher», sagt Marina. «Die Kundinnen bringen ihren eigenen Nachwuchs mit und der spielt dann mit unseren Kindern. So sind die Kleinen versorgt.» Ausserdem sind die Kinder auch gerne mit Vater Adrian unterwegs, wenn er mit dem Traktor auf dem Feld ist oder im Kuhstall beim Melken oder Füttern.

Das Projekt in Kürze

  • Coiffeur
  • Umbau eines Stalls zu Coiffeursalon
  • Le Fuet/BE

Umbau mit Hindernissen

Haare schneidet die ursprünglich gelernte Köchin, die ebenfalls in der Gegend aufgewachsen ist, übrigens seit acht Jahren. «Ich bin da irgendwie reingerutscht», lacht Marina. «Ich habe schon immer gerne Haare geschnitten. So entschloss ich mich, nach meiner Kochlehre eine zweite Ausbildung als Coiffeuse zu machen.» Zunächst arbeitete sie auswärts. Als die Kinder kamen,ging das nicht mehr. «Nach der Geburt des zweiten Kindes begann ich, bei uns zu Hause zu frisieren.» Als «Coiffeursalon», diente die Wohnstube – kein optimaler Zustand, wie auch Adrian betont: «Nach der Arbeit gemütlich im Wohnzimmer zu sitzen, ging nicht, wenn meine Frau arbeitete. Und es hatte immer überall Haare.» Als der Kundenkreis stetig wuchs, wurde die Situation untragbar. Den Salon einfach aufzugeben, kam aber nie infrage. «Die Arbeit macht mir Freude und sie ist auch zu einem wichtigen Teil unseres Einkommens geworden», betont die junge Frau. «Und auswärts arbeiten ist mit vier Kindern für mich auch nicht das Richtige.»

So entstand die Idee, den leeren Schweinestall umzubauen. «Wir haben Pläne gezeichnet und dann im Jahr 2011 nach Erhalt der Baubewilligung einfach angefangen», erinnert sich Adrian. Was alles mit dem Umbau auf ihn zukommen würde, wusste er damals nicht. «Es war sehr anstrengend. So haben wir allein 15 Tonnen Bauschutt aus dem Schweinestall rausgeführt», erzählt Adrian. Auch die Materialkosten verschlangen viel Geld, obwohl die Looslis darauf achteten, möglichst günstig zu bauen. Und als ob es nicht schon schwierig genug wäre, kamen zusätzliche Probleme hinzu: Feldmäuse richteten grössere Schäden an. Heu musste zugekauft werden und neue Ansaaten waren nötig. Auch die Kühe hatten 2012 ein schweres Jahr. Der Tierarzt musste oft vorbei kommen, weil die Tiere nicht trächtig wurden und schliesslich teilweise verkauft werden mussten. Die Looslis unternahmen aber alles, um den Umbau fertigzustellen. «Hätten wir den Zustupf von der Schweizer Berghilfe nicht erhalten, hätte es nicht gereicht», sagt Adrian. Marina und Adrian sind stolz darauf, dass alles geklappt hat und wie geplant fertig wurde. Demnächst will sich Adrian dann auch der Aussenfassade annehmen, damit der Unterschied zwischen Aussen und Innen nicht mehr so deutlich ausfällt.

Text: Max Hugelshofer

Bilder: Yannick Andrea

Erschienen im Juni 2014
Die Schweizer Berghilfe leistet finanzielle Unterstützung, wenn das Geld nicht ausreicht, um ein zukunftsweisendes Projekt zu realisieren.