Graue Wolken ziehen auf, auf dem Bergsee hinterlassen die ersten schweren Tropfen ihre Ringe auf der Oberfläche. Auf der Seebenalp riecht es nach Regen. In der Küche des Hotels und beliebten Ausflugsrestaurants dominieren jedoch andere Gerüche. Pommes Frites und Älplermagronen lassen sich erschnüffeln, aber auch nach frischem Brot riecht es. Während er die ersten Mittagsmenüs zubereitet, schaut Urs Ruesch immer wieder mal in den Steamer, in dem zwei Bleche mit Wurzelbroten goldbraun werden, und zwischen dem Zubereiten eines Wurst-Käse-Salates und dem Eingang der nächsten Bestellung formt er aus dem grossen Klumpen Teig auf der Ablage in beeindruckendem Tempo einen Zopf nach dem anderen.
Seit ein paar Jahren ist dies Alltag auf der Seebenalp. Alles Brot, dass die Restaurantbesucher zu ihren Menus und die Übernachtungsgäste zum Frühstück serviert bekommen, wird hier in der Küche selbst gebacken. Rund 1,3 Tonnen kommen so jedes Jahr zusammen. Das Mehl bezieht Urs aus der Mühle unten im Tal. Viel lokaler und frischer geht gar nicht. Andere Hotels würden dies werbetechnisch ausschlachten. Doch Rueschs erzählen nur davon, wenn einer der Gäste nachfragt, woher sie ihr gutes Brot hätten. Denn sie backen nicht aus Marketinggründen selbst, sondern weil es einfacher ist. Um das zu verstehen, muss man die Eigenheiten der Seebenalp kennen.
Das Projekt in Kürze
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Berghotel
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Sanierung Transportseilbahn
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Flumserberge/SG
Das Hotel ist im Sommer zwar mit dem Auto erreichbar, es braucht es jedoch eine Bewilligung der Gemeinde. Die Fahrt dauert lange und tagsüber macht man sich keine Freunde bei den vielen Wanderern auf dem Weg. Im Winter ist die Seebenalp sogar nur per Ski, zu Fuss oder für Rueschs mit dem Schneetöff erreichbar. Es gibt zwar eine Transportseilbahn, dennoch ist man um alles froh, was nicht hochtransportiert werden muss. Als die alte Bahn vor einigen Jahren renovationsbedürftig war, fing ein damaliger Angestellter, der gelernter Bäcker war, als Notlösung mit dem Brotbacken an. «Es hat sich so bewährt, dass ich einfach weitergemacht habe, als er weiterzog», sagt Urs. Auch wenn die Seilbahn inzwischen saniert und wieder einsatzbereit war.
Sonne bringt Gäste
Unterdessen haben sich die Wolken verzogen, die grosse Sonnenterasse
füllt sich langsam und in der Küche herrscht Hochbetrieb. Am Buffet
stellt Dagmar Ruesch Getränke bereit, Tochter Jasmin trägt sie zusammen
mit den Gerichten zu den Gästen raus. Unterstützung erhalten Rueschs
heute von drei ihrer sechs Festangestellten. An schönen Wochenenden,
wenn
Hochbetrieb herrscht, können sie auf ein gutes Dutzend Aushilfen aus der Region zählen.
Die innerfamiliäre Arbeitsteilung allerdings ist nicht in Stein gemeisselt. «Jeder macht das, was gerade nötig ist», sagt Jasmin. Das halte die Arbeit abwechslungsreich. Ob es jedoch genau das ist, was sie dazu veranlasst hat, nach ihrer Ausbildung als Köchin und auf der Hotelfachschule wieder hierherzukommen und ihre Eltern im Familienbetrieb zu unterstützen, kann sie nicht sagen. «Ich bin hier oben aufgewachsen, darum steckt viel Herzblut darin.»