Graue Wolken ziehen auf, auf dem Bergsee hinterlassen die ersten schweren Tropfen ihre Ringe auf der Oberfläche. Auf der Seebenalp riecht es nach Regen. In der Küche des Hotels und beliebten Ausflugsrestaurants dominieren jedoch andere Gerüche. Pommes Frites und Älplermagronen lassen sich erschnüffeln, aber auch nach frischem Brot riecht es. Während er die ersten Mittagsmenüs zubereitet, schaut Urs Ruesch immer wieder mal in den Steamer, in dem zwei Bleche mit Wurzelbroten goldbraun werden, und zwischen dem Zubereiten eines Wurst-Käse-Salates und dem Eingang der nächsten Bestellung formt er aus dem grossen Klumpen Teig auf der Ablage in beeindruckendem Tempo einen Zopf nach dem anderen.
Seit ein paar Jahren ist dies Alltag auf der Seebenalp. Alles Brot, dass die Restaurantbesucher zu ihren Menus und die Übernachtungsgäste zum Frühstück serviert bekommen, wird hier in der Küche selbst gebacken. Rund 1,3 Tonnen kommen so jedes Jahr zusammen. Das Mehl bezieht Urs aus der Mühle unten im Tal. Viel lokaler und frischer geht gar nicht. Andere Hotels würden dies werbetechnisch ausschlachten. Doch Rueschs erzählen nur davon, wenn einer der Gäste nachfragt, woher sie ihr gutes Brot hätten. Denn sie backen nicht aus Marketinggründen selbst, sondern weil es einfacher ist. Um das zu verstehen, muss man die Eigenheiten der Seebenalp kennen.