«Ich bin die Feuerwehr der Feinmechaniker»

Dank Computer und digital gesteuerter CNC-Fräsmaschinen kann der junge Feinmechaniker Boris Masur rasch einmalige, feinste Metallteile herstellen. Das macht ihn im Kanton der Uhrenfabriken zu einem begehrten Mann.

«Ich habe mitten in der Corona-Zeit mit meiner eigenen Werkstatt für Feinmechanik gestartet. Dennoch ging es von Null auf Hundert, vom ersten Tag an. Ich hatte sofort Kunden. Inzwischen sind wir zu zweit und machen Prototypen, Einzelteile oder Expressbestellungen. Dafür sind wir am besten ausgerüstet. Zudem entwickle ich mechanische Teile, meist uhrenähnliche Mechanismen. Als Duo mit einer kleinen Werkstatt sind wir sehr flexibel. Das kommt auch meiner Familie zugute. Ich kann so auch mal rasch über Mittag nach Hause und dafür in den Abend hineinarbeiten.
Ich wollte immer schon einen technischen Beruf ausüben. Während meiner Primarschulzeit zogen wir von Lausanne nach Sainte-Croix. Hier gibt es eine der zwei einzigen Schulen für Präzisionsmechanik in der Schweiz. Schon als Junge war mir klar, dass ich hier eine Ausbildung machen wollte. Auch weil mich die Tradition der Musikdosen in der Region fasziniert. Und weil ich eine Nische sah. Nämlich die, individuelle Einzelteile digital zu entwickeln und herzustellen. Das machen nur ganz wenige Firmen. Nach der Ausbildung bildete ich mich in Lausanne im CAD-Zeichnen weiter. Nach fünf Jahren in einem Betrieb entschloss ich mich als 28-Jähriger, eine eigene Firma zu gründen. Ich startete mit sehr wenig Liquidität, die Eltern schossen Kapital ein und die Berghilfe unterstützte den Kauf einer CNC-Maschine.

Das Projekt in Kürze

  • Feinmechaniker
  • Digitale Fräsmaschine
  • Sainte-Croix/VD

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Mit Hightech Tradition fortsetzen

In Sainte-Croix haben wir ein Knowhow, das spezifisch für das Dorf ist. Mit der Industrialisierung um 1850 etablierten sich viele Hersteller von Musikdosen. Später wurden hier auch Plattenspieler, Schreibmaschinen oder 8-mm-Kameras hergestellt. Alles Produkte der Fein- und Präzisionsmechanik. Das Gebäude, in dem ich eingemietet bin, wird ‹HPI› genannt – in Anlehnung an dessen Erbauer Paillard, der hier erfolgreich seine Hermès-Schreibmaschinen produzierte. Vor 100 Jahren waren 30 bis 40 Firmen in diesem Segment tätig. Als die Digitalisierung einsetzte, mussten fast alle Firmen aufgeben.

In den 1990er-Jahren tat sich die Gemeinde mit den wenigen verbliebenen Handwerksbetrieben zusammen und eröffnete das CIMA, das internationale Museum für die Kunst der Mechanik. Seit 2019 sind Kunstmechanik und die Region als UNESCO-Welterbe anerkannt. Wir haben die besten Automatenbauer im Dorf und die letzte Musikdosenfabrik in ganz Europa. Dieser Ruf hilft auch, eine neue Firma in dem hart umkämpften Markt aufzubauen. Und paradoxerweise hilft mir auch die Digitalisierung, die einst fast alles zusammenbrechen liess. Dank ihr kann ich Einzelteile im 3D-Drucker zuerst in Plastik drucken und testen, ob meine Berechnungen stimmen, ob die Reihenfolge der Bearbeitungsschritte stimmt. Denn beim Bearbeiten von Metall kommt es nicht nur auf den Hundertstelmillimeter an, sondern auch darauf, welche Seite wann gefräst oder gedreht wird. So spare ich Material und Zeit.
Inzwischen wissen die Firmen: Bei mir geht es schnell. Wir sind die Feuerwehr der Feinmechaniker. Aber dafür ist es sehr schwierig, die Arbeit zu planen und zu schauen, ob wir mittelfristig genügend ausgelastet sind. Ich weiss meist nur gerade drei, vier Wochen im Voraus, was es zu tun gibt. Das braucht Nerven. Aber jetzt langsam – wir sind Ende des dritten Geschäftsjahres – habe ich gelernt, damit umzugehen und ein wenig Gelassenheit zu entwickeln.»

Text: Alexandra Rozkosny

Bilder: Yannik Andrea

Erschienen im November 2024

Nadeln für Musik

Der Feinmechaniker Boris Masur aus Sainte-­Croix führt das Erbe der über die Landesgrenzen berühmten Automatenbauer der Region fort. Vor allem die Musikdosen prägten den Waadtländer Jura. In einer alten, mechanischen Musikdose hat es jeweils eine Trommel, in die viele feinste Metallstifte in einer bestimmten Reihenfolge und Länge eingeführt sind. Sie zu platzieren ging vor rund 150 Jahren nicht maschinell, weil die Stifte zu fein waren. Es waren vor allem Bäuerinnen und Hausfrauen, die diese Arbeit als Zusatzverdienst übernahmen. Sie machten es von Hand ohne Fingerschutz, denn sie mussten die Position und Stiftlänge genau spüren. Etliche Stifte brachen ab und blieben im Finger stecken. Es war eine mühevolle, schmerzhafte Arbeit.

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