In Sainte-Croix haben wir ein Knowhow, das spezifisch für das Dorf ist. Mit der Industrialisierung um 1850 etablierten sich viele Hersteller von Musikdosen. Später wurden hier auch Plattenspieler, Schreibmaschinen oder 8-mm-Kameras hergestellt. Alles Produkte der Fein- und Präzisionsmechanik. Das Gebäude, in dem ich eingemietet bin, wird ‹HPI› genannt – in Anlehnung an dessen Erbauer Paillard, der hier erfolgreich seine Hermès-Schreibmaschinen produzierte. Vor 100 Jahren waren 30 bis 40 Firmen in diesem Segment tätig. Als die Digitalisierung einsetzte, mussten fast alle Firmen aufgeben.
In den 1990er-Jahren tat sich die Gemeinde mit den wenigen verbliebenen Handwerksbetrieben zusammen und eröffnete das CIMA, das internationale Museum für die Kunst der Mechanik. Seit 2019 sind Kunstmechanik und die Region als UNESCO-Welterbe anerkannt. Wir haben die besten Automatenbauer im Dorf und die letzte Musikdosenfabrik in ganz Europa. Dieser Ruf hilft auch, eine neue Firma in dem hart umkämpften Markt aufzubauen. Und paradoxerweise hilft mir auch die Digitalisierung, die einst fast alles zusammenbrechen liess. Dank ihr kann ich Einzelteile im 3D-Drucker zuerst in Plastik drucken und testen, ob meine Berechnungen stimmen, ob die Reihenfolge der Bearbeitungsschritte stimmt. Denn beim Bearbeiten von Metall kommt es nicht nur auf den Hundertstelmillimeter an, sondern auch darauf, welche Seite wann gefräst oder gedreht wird. So spare ich Material und Zeit.
Inzwischen wissen die Firmen: Bei mir geht es schnell. Wir sind die Feuerwehr der Feinmechaniker. Aber dafür ist es sehr schwierig, die Arbeit zu planen und zu schauen, ob wir mittelfristig genügend ausgelastet sind. Ich weiss meist nur gerade drei, vier Wochen im Voraus, was es zu tun gibt. Das braucht Nerven. Aber jetzt langsam – wir sind Ende des dritten Geschäftsjahres – habe ich gelernt, damit umzugehen und ein wenig Gelassenheit zu entwickeln.»
Text: Alexandra Rozkosny
Bilder: Yannik Andrea
Erschienen im
November 2024