Immer dem Wasser nach
Die traditionellen Suonen werden mancherorts im Wallis noch immer zum Bewässern der Wiesen und Felder genutzt. Aber auch Wanderer erfreuen sich an ihnen.
Die traditionellen Suonen werden mancherorts im Wallis noch immer zum Bewässern der Wiesen und Felder genutzt. Aber auch Wanderer erfreuen sich an ihnen.
Wandern quer durch die steilen Walliser Berghänge, aber fast ganz ohne Höhenmeter? Klar doch, immer entlang der fröhlich gurgelnden Suonen. Zum Beispiel in Grächen.
Im Wallis ist vor allem die Landwirtschaft auf das Wasser angewiesen. Bereits seit Jahrhunderten ist Wasser aus Bächen und Flüssen unverzichtbar für die Bewässerung der Kulturlandschaft. Ganz besonders in trockenen Gebieten. Das Wallis gehört da klar dazu. Im Mattertal bei Grächen zum Beispiel fallen pro Monat im Schnitt lediglich 50 Millimeter Regen. Das reicht bei Weitem nicht, um die Wiesen grün zu halten und Futter für Kühe, Schafe und Geissen zu produzieren. Abhilfe schafften Suonen: Wasserkanäle, die das Wasser von Bächen oder Gletschern aus quer über die Hänge transportieren. Hier in Grächen nennt man sie Wasserleiten.
Kurt Ruppen verbindet nicht nur gute Erinnerungen damit: «Als Kind musste ich im Sommer fast jeden Tag den Wasserleiten nach. Für Unterhaltsarbeiten und um Wiesen zu bewässern.» Das ist ihm mit den Jahren so verleidet, dass er Grächen schon fast fluchtartig verliess, sobald er erwachsen war. Mit Wasserleiten wollte er nie mehr etwas zu tun haben. Es kam anders.
Heute ist Kurt Wasservogt und setzt sich im Verein «Suonen von Grächen» für den Erhalt und die weitere Nutzung der Wasserleiten ein. Diese waren in einem schlechten Zustand, als der Verein vor gut zehn Jahren gegründet wurde. Mit Unterstützung der Schweizer Berghilfe und viel Freiwilligenarbeit konnten aber alle Grächener Suonen wieder offengelegt und repariert werden.
Wie in seiner Kindheit ist Kurt heute der Suone entlang unterwegs. Mit dabei hat er wie damals eine Blechplatte mit Griff (Wässerplatta) und eine langstielige Hacke (Wässerhouwa). Diese Utensilien gehören fest dazu, wenn man mit Hilfe einer Suone Wiesen bewässern will. An der gewünschten Stelle angekommen, stellt sich Kurt breitbeinig vor den Wasserlauf, hebt die Wässerplatta über seinen Kopf und lässt sie schwungvoll in die Suone herunterkrachen. Beim ersten Versuch schon steckt sie fest im weichen, bewachsenen Rand der Leitung. Sofort staut sich das Wasser. Mit der Wässerhouwa schlägt er einen kleinen Kanal (Schrapfa) in die talseitige Befestigung (Tretschbord). Die so herausgelöste Grasnarbe (Wäschi) legt er der Länge nach an die Schrapfa, und schon überschwemmt das Wasser den Weg, welcher der Wasserleite entlangführt und gluckert von dort aus in die darunterliegende Wiese. Dort zieht Kurt mit der Wässerhouwa weitere kleine Kanäle, um das Wasser auf der ganzen Breite der Wiese zu verteilen.
Wenn die Wiese genug bewässert worden ist, entfernt er die Wässerplatta wieder, verschliesst alle Schrapfa und geht der Wasserleite entlang weiter. Bis zur nächsten Wiese. Und zur nächsten. «So ging das früher den ganzen Tag», erklärt er. Heute wässern nur noch die wenigsten Bauern nach der traditionellen Art. Der Aufwand ist zu gross. Die Suonen selbst braucht es aber dennoch. Heute legen die Bauern einfach einen langen Schlauch in die Suone, an dessen Ende ein Rasensprenger angeschlossen ist. Dass auch die Touristen Freude haben an den kleinen Bächlein und den schön flach daran entlangführenden Wegen, das hilft natürlich bei deren Erhaltung. Denn der Tourismus bringt Wertschöpfung ins Berggebiet.