Kreisläufe schliessen

Mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen: Das wollte die Familie Riedi im Val Lumnezia mit einer Mikro-Biogasanlage. Dank ihr wird nun der hofeigene Dünger in Wärme, Strom und einen deutlich verbesserten Dünger umgewandelt. Das klingt sinnvoll und wirtschaftlich. Doch der Weg dahin war steinig.

Ursin und Nicole Riedi aus dem Val Lumnezia wohnten bis vor zwei Jahren mit ihren drei Kindern im Dorf Morissen – einige Autominuten von ihrem Bio-Hof entfernt. Dann konnte die Familie ein neues Wohnhaus direkt beim Stall bauen. Aber kein gewöhnliches. Denn der benötigte Strom und die Wärme für die Heizung und fürs Warmwasser kommen vollständig aus einer Mikrobiogasanlage. Im Fermenter verwandeln Bakterien den Mist und die Gülle der 30 Milchkühe und des Jungviehs in Methangas. Dieses wird in einem kleinen Blockheizkraftwerk verbrannt. Daraus entsteht ein Drittel Strom und zwei Drittel Wärme – 100 Prozent klimaneutral. Ausserdem wird durch den Fermentierungsprozess der Hofdünger markant verbessert. «Seit wir einen Laufstall haben, können wir Gülle und Mist nicht mehr getrennt sammeln. Bei der sofort einsetzenden Gärung erzeugte das sehr viel Amoniak, was für die Umwelt schädlich ist, und für den Landwirt einen Nährstoffverlust bedeutet», sagt Ursin. Weil der ehemalige Dünger viel dickflüssiger war, wurde das Gras beim Ausbringen stark verschmutzt, und in der Photosynthese, erheblich eingeschränkt, beobachtete Ursin. «Blieb dann noch der erhoffte Regen aus, hatte der ausgebrachte Dünger so gut wie keine Wirkung mehr, oder noch schlimmer, es hat dem Gras mehr geschadet.»

Das Projekt in Kürze

  • Bio-Bergbauernhof
  • Mikro-Biogasanlage
  • Morissen/GR

​Viele Fliegen mit einer Klappe geschlagen

Durch die Fermentation mit der neuen Anlage werden die wertvollen, hofeigenen Nährstoffe für die Bodenlebewesen besser zugänglich. «Dies hat zur Folge, dass wir eine viel bessere Effizienz bei unserem Hofdünger erreichen. Jetzt haben wir ihn das zweite Jahr ausgebracht. Es wachsen wieder viel mehr feinere Gräser, ein deutliches Zeichen für eine Bodenverbesserung. Ich konnte trotz der Trockenheit sogar einen Viertel mehr Heu ernten.» Und die Feriengäste oberhalb der Wiesen flüchten nicht mehr nach drinnen, wenn Ursin düngt. «Es stinkt nicht mehr. Wir treffen mit der Biogasanlage gleich mehrere Fliegen auf einen Schlag.» Eine weitere Fliege ist das Abwasser. Weil Stall etwas abgelegen liegt, ist er nicht ans Abwassernetz angeschlossen. Beim Bau des Wohnhauses wäre dieser Anschluss aber zwingend nötig geworden. Nötig und vor allem teuer. Dank der Biogasanlage können sich Riedis diese Kosten sparen. «Die Anlage funktioniert auch als Kläranlage für das Abwasser vom Haushalt», so Ursin. Ihrem Ziel, an den Standort angepasst wirtschaftlich und ökologisch erfolgreich zu bauern, ist die Familie einen grossen Schritt näher gekommen.

Pionierarbeit geleistet

Bei so vielen Vorteilen, die die Anlage bringt, könnte man meinen, dass Ursin Riedi auch bei den Behörden offene Türen eingerannt habe. Doch dem war nicht so. Biogasanlagen gibt es in der Schweiz nun schon einige. Doch sehr wenige sind so klein wie jene der Riedis. «Weil die Anlage so klein ist, gibt es fast keine genormten Bauteile dafür», erklärt Ursin. «Das bedeutete, dass die Feuerpolizei und die Gebäudeversicherung jede Komponente einzeln beurteilten. Viel Aufklärungsarbeit auch auf Seiten der Behörden war dazu nötig.» Zwar hatte Ursin Riedi einen kompetenten Anlagebauer gefunden, dem es rasch gelang, eine für die lokalen Verhältnisse angepasste Lösung zu entwerfen. Dennoch musste sich der Bergbauer in alles selbst einlesen, um mitentscheiden zu können. Das bedeutete: nach der abendlichen Stallarbeit nächtelanges Brüten über Unterlagen. «Wenn du so etwas planst, musst du bereit sein, die Komfortzone zu verlassen», sagt Ursin. Doch das Thema hatte ihn gepackt. Auch deshalb beteiligt er sich am Pilotprojekt des Kantons des Kantons Graubünden für eine klimaneutrale Landwirtschaft.

Text und Bilder: Alexandra Rozkosny

Erschienen im Januar 2023

Die Unterstützung der Berghilfe

Die Biogasanlage der Familie Riedi hätte trotz ihrer geringen Grösse das Budget der Familie Riedi zu stark belastet. Die Schweizer Berghilfe unterstützte die Familie daher beim Bau der Anlage.
Die Schweizer Berghilfe leistet finanzielle Unterstützung, wenn das Geld nicht ausreicht, um ein zukunftsweisendes Projekt zu realisieren.