«Mindestens einmal pro Tag denke ich: Wow, es ist schon unglaublich schön hier oben. Der Ausblick aufs Eismeer verleidet mir nie, und die Sonnenuntergänge sind eine Klasse für sich. Inzwischen arbeite ich hier den dritten Sommer über als Hüttenwartin. Eigentlich bin ich ja Juristin, aber ich wollte eine Pause von meinem Beruf. Ich hatte mir vorgestellt, ein paar Monate in einer Alpbeiz auszuhelfen. Da erzählte mir ein Kletterkollege von der freien Stelle hier oben – der Rest ist Geschichte.
Hier Hüttenwartin zu sein, ist ein ungewöhnlicher Job. Manchmal ist es so streng, dass ich an meine körperlichen Grenzen komme, dann wieder sehr ruhig und einsam. Alles hängt vom Wetter ab. Wenn schön angesagt ist und alle 40 Plätze belegt sind, stehe ich morgens vor vier Uhr auf, mache Frühstück und kümmere mich um die Gäste, die ja auch alle früh los wollen, um zeitig auf dem Eiger zu sein. Am Vormittag muss ich die Massenlager in Ordnung bringen, putzen und schon den Znacht vorbereiten. Kuchen backen wäre auch nicht schlecht. Gegen Mittag tauchen dann meist schon wieder die ersten Bergsteiger auf. Vor 23 Uhr komme ich selten ins Bett.
Nach langen Schönwetterperioden kommt einem da ein Tiefdruckgebiet wie gerufen. Bei schlechtem Wetter kommt kein Mensch, und ich kann wieder etwas Schlaf nachholen. Sonst gibt es ja nicht viel zu tun. Spazierengehen kann ich nicht. Links und rechts geht es steil mehrere hundert Meter die Felswand runter, hinter der Hütte steil zum Eiger hoch. Nur vor der Hütte kann ich fünfzehn Meter bis auf den Helilandeplatz gehen, ohne klettern zu müssen.