Made in Tarasp
In Handarbeit stellt Brigitta Balmer aus Unterengadiner Schafwolle Jacken her. Die Nachfrage ist gross.
In Handarbeit stellt Brigitta Balmer aus Unterengadiner Schafwolle Jacken her. Die Nachfrage ist gross.
Schafwolle wäre eigentlich ein hochwertiges Naturprodukt. Aber sie hat immer mehr an Wert verloren, lässt sich kaum verkaufen. Im Unterengadin tun die Frauen des Schafprodukte-Ladens Butia da besch etwas gegen diese Entwicklung. Etwa Brigitta Balmer aus Tarasp, die qualitativ wertvolle Jacken aus der Wolle näht.
Über mangelndes Interesse an ihrem neusten Produkt können sich die Frauen, die in Ardez die Butia da besch betreiben, nicht beklagen. Fast wöchentlich können sie in ihrem Schafladen eine Jacke verkaufen. Und der Trend zeigt nach oben. Mehr als heute kann die Schneiderin Brigitta Balmer nicht produzieren. Sie ist deshalb im Moment daran, eine weitere Näherin anzulernen. Dazu braucht es viel Geschick, aber auch Geduld und Fleiss. Denn die Jacken entstehen fast ausschliesslich in Handarbeit.
Ihr Atelier hat Brigitta Balmer mitten im Unterengadiner Dörfchen Tarasp. Es liegt über ihrer Wohnung, unter dem Dach. Durch die Fenster fällt das Tageslicht auf einen grossen Tisch. Darauf liegt ein grosses Stück Stoff. Ganz spezieller Stoff: Er sieht aus wie «glismet», ist auf der einen Seite braun und rauh, auf der anderen schwarz und weich. Die braune Aussenseite besteht aus Schweizer Schafwolle, die schwarze Innenseite aus feiner Merinowolle. Zusammengefügt wurden zwei Fäden Schaf- und ein Faden Merinowolle auf grossen Strickmaschinen in einer Strickerei im Emmetal.
Bevor Brigitta Balmer mit dem Nähen beginnt, walkt sie den Stoff. Sobald er trocken ist, fixiert sie Schnittmuster aus Papier darauf und schneidet mit einer grossen Schere den Umrissen nach. Dann geht es ans Zusammennähen der Teile. Vorsichtig fügt die Schneiderin die einzelnen Stücke mit Stecknadeln zusammen, fixiert sie mit ein paar Stichen mit der Nähnadel und setzt sich dann vor eine ihrer beiden Nähmaschinen. Es ist die Overlock-Maschine, die gleichzeitig von oben und unten näht, dabei eine Art Netz aus Faden bildet und deshalb ideal geeignet ist, um grobmaschige Stoffe zusammenzufügen. Brigitta Balmer hat sie mit Unterstützung der Schweizer Berghilfe extra angeschafft, um für die Butia da besch die Produktion der Schafwolljacken übernehmen zu können. «Meine alte Maschine hätte eine so intensive Beanspruchung nicht mehr lange ausgehalten», sagt sie. Brigitta Balmer verarbeitet für die Butia auch andere Produkte aus der Wolle der Pro-Specie-Rara-Engadinerschafe, zum Beispiel Handytäschchen aus Filz. Allerdings mengenmässig in einem viel kleineren Umfang.
Wie viel Zeit sie für eine einzelne Jacke aufwendet, weiss sie nicht. Will sie auch gar nicht wissen. Denn sie möchte sich nicht unter Druck setzen lassen. «Ich bin sehr pingelig und arbeite langsam. Das weiss ich. Doch mir ist die Qualität wichtig», sagt Brigitta Balmer. Darum wird sie auch nicht reich durch ihre Näharbeit, obschon eine Jacke mit einem Preis von 320 Franken kein Schnäppchen ist. «Der Erlös ist ein Zustupf. Aber ein sehr wichtiger.»
Genauso wichtig ist für die Schafbauern aus dem Unterengadin, dass sie mit Brigitta Balmers Jacken eine weitere Möglichkeit haben, die Wolle ihrer Schafe in Wert zu setzen und zu verkaufen. Gerade in Ardez, wo die Butia da Besch steht und wo mehr Schafe als Menschen leben. Von dort kommt auch Claudia Janett. Sie hält selbst Schafe, hat das Jacken-Projekt ins Leben gerufen und mit einer befreundeten Textildesignerin im Unterland den Prototyp entwickelt. Sie trägt selbst regelmässig eine der Jacken und ist sehr zufrieden damit. «Ich trage sie gerne als wärmende Schicht unter einer Windjacke oder einem Gilet.» Sie sei überhaupt nicht heikel und ersetze ihr einen Faserpelz. «Ich freue mich jedes Mal, wenn ich sie anziehe, dass aus der Wolle unserer Schafe ein so schönes Produkt entsteht.»