Mini-Restaurant mit Sondercharme

In einer kleinen Blockhütte im Weiler Verrey bei Nendaz startete Anne Fournier vor Jahren ihre Sommer-Buvette Cab’Anne. Doch die Saison im zugigen Häuschen war viel zu kurz, um davon leben zu können. Das ist seit 2024 anders.

Noch ein kurzes Gespräch mit einem Kunden, dann legt Anne Fournier das Telefon weg. Rasch schnappt sich die 48-Jährige einen kleinen Rucksack, Steigeisen und Stöcke. Die passenden Kleider für eine Wanderung trägt sie schon. Es ist 18 Uhr, und ein langer Arbeitstag im Büro der Skischule in Veysonnaz liegt gerade hinter ihr. Doch davon ist ihr nichts anzumerken. Herzlich ruft sie der Beifahrerin eines gerade heranfahrenden Kleinbusses ein «Hello» entgegen. Und fragt gleich: «How many are you? Wie viele seid ihr?». Aus dem Bus purzeln nacheinander elf Personen. Viele Kinder und vier Erwachsene. Es sind zwei befreundete Familien aus London. Mit dieser Gruppe wird Anne eine einstündige Nachtwanderung zur Cab’Anne, ihrer eigenen, kleinen Buvette, unternehmen. Mit Unterstützung ihrer Tochter Charline tischt sie dort für ihre Gäste ein Fondue auf und geht danach mit allen wieder zurück ins Dorf. Vor halb elf ist sie nicht im Bett. «In der Hochsaison von Mitte Dezember bis Anfang März arbeite ich wirklich viel», sagt Anne.

Das Projekt in Kürze

  • Kleines Bistro
  • Isolation und Küche
  • Verrey/VS

Aussichtsreiche Nachtwanderung

Doch zuerst gilt es, alle Beteiligten mit kleinen Steigeisen und Skistöcken auszurüsten. Das geschieht im Sportgeschäft nebenan. Nach einer guten Viertelstunde sind alle bereit zum Loslaufen. Das letzte Tageslicht begleitet den Trupp auf der leeren Piste. Anne legt ein zügiges Tempo vor, ihre Gäste halten mühelos mit. Damit rechnet die routinierte Tourengeherin, denn die Gäste sind alte Bekannte. Die Londoner kennen die Buvette im kleinen Weiler Verrey bereits von etlichen Sommerferien. Doch eines wird für sie neu sein: Zum ersten Mal können sie dort ein Fondue im Winter geniessen. «Meine Familie stammt aus dem Weiler, ich bin auf dem Bauernhof zuhinterst im Talkessel aufgewachsen», sagt Anne. «Mein Bruder übernahm den Hof. Ich selbst arbeitete lange im Gastgewerbe und auf den Skipisten, Hauptsache in den Bergen. Als die Kinder zur Schule mussten, war klar, dass es etwas sesshafteres brauchte. So starteten mein damaliger Mann Fabien und ich in Verrey ein kleines Bed&Breakfast. Zusammen mit den Einnahmen der Wintermonate verdienten wir knapp so viel, dass es reichte.»

Zurück zum Weiler ihrer Kindheit

Doch 2012 zwang ein Unfall Anne für mehrere Wochen zum Nichtstun. Fabien baute ihr beim leeren Häuschen gleich neben dem B&B eine kleine Terrasse in den Hang. Dort lag sie tagsüber oft auf dem Liegestuhl. «Es kamen viele Wandernde vorbei, die mich fragten, ob es hier etwas zu trinken gäbe. Da sagte ich mir: Das hat Potenzial.» Anne und Fabien renovierten das traditionell gebaute Blockhäuschen mit viel Handarbeit und dank einigen Helfern selbst. «Die Buvette lief von Anfang an super, aber es war enorm anstrengend. Zum Kochen hatte ich einen alten Herd und für den Abwasch nur kaltes Wasser, das ich topfweise aufwärmen musste.» Und weil das Häuschen keine Isolation hatte, war die Buvette jeweils nur vom ersten Juli bis Mitte September offen.

Viel Tradition auf kleinstem Raum

«Da hatte ich letztes Jahr die Idee, das Gebäude zu isolieren, eine ordentliche Bistroküche einzubauen und so zusätzliche Betriebswochen zu gewinnen», sagt die drahtige Walliserin. Der Charme des Alten sollte unbedingt erhalten bleiben. Laurent Gillioz, ein Handwerker aus Isérables, war vom Projekt begeistert. «Ohne ihn, seine Leidenschaft für die Bautraditionen und seine Planung wäre das nicht zu machen gewesen», sagt Anne. Mit ihm und mehreren lokalen Handwerkern startete der Umbau. Es hiess aber auch: selbst wochenlang schleifen, sägen, schrauben. Dank diesem Effort leuchten einem jetzt Anfang Februar von weit her die warmen Lichter der Cab’Anne entgegen. Die Tourengruppe überwindet die letzten Meter. Die ersten öffnen die Doppeltüre. Warme Luft und der Duft eines milden Fondue empfangen einem. Mit fünfzehn Personen ist der Raum sofort voll. Anne verwandelt sich im Nullkommanichts von der Tourenleiterin zur Gastgeberin, serviert Getränke, während Tochter Charline mit Brotkörben und Fonduecaquelons jongliert. «Es ist einfach einmalig, was Anne hier aufgebaut hat», schwärmt der Londoner Familienvater, «so authentisch und sympathisch.» So wie die beiden Familien wird Anne noch etliche angemeldete Gruppen hierherführen, bevor sie Mitte Mai die reguläre Saison startet. «Schon jetzt, nach wenigen Monaten, habe ich viel mehr Umsatz generieren können als vorher», sagt sie glücklich, zieht den Rucksack wieder an und läuft mit der Gruppe so leichtfüssig zurück nach Veysonnaz, als ob der Tag erst begonnen hätte.
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Text und Fotos: Alexandra Rozkosny

Erschienen im März 2025

Die Schweizer Berghilfe leistet finanzielle Unterstützung, wenn das Geld nicht ausreicht, um ein zukunftsweisendes Projekt zu realisieren.