Mit Hightech im Wald
Für Gian-Marco Albertin ist ein Bubentraum wahr geworden. Seit fünf Jahren hat er sein eigenes, inzwischen erfolgreiches Forstunternehmen. Zu tun gibt es für ihn mehr als genug im Engadin, besonders diesen Spätsommer.
Für Gian-Marco Albertin ist ein Bubentraum wahr geworden. Seit fünf Jahren hat er sein eigenes, inzwischen erfolgreiches Forstunternehmen. Zu tun gibt es für ihn mehr als genug im Engadin, besonders diesen Spätsommer.
In den Wäldern des Unterengadins dröhnen diesen Spätsommer fast ununterbrochen Sägen. Sehr viele Bäume sind vom Borkenkäfer befallen. Ein milder Winter und der heisse, trockene Sommer haben ideale Bedingungen für den Schädling geschaffen. Auf einem einzigen Baum können sich rasch eine Million der kleinen, kaum vier Millimeter grossen Insekten befinden. Gibt es für sie unter der Rinde nichts mehr zu fressen, fliegen sie auf die Nachbarbäume. Da gilt es, so rasch wie möglich die befallenen Bäume - und mit ihnen die Käfer - aus dem Wald zu holen. Das bedeutet viel Arbeit für alle Forstunternehmen der Region. «Wenigstens haben wir Glück, dass die Käferplage jetzt kam, und nicht vor zwei Jahren», sagt Gian Marco Albertin. «Der Holzpreis ist heute viel höher als damals, so dass trotz des vielen Käferholzes gute Einnahmen möglich sind.»
Fünf anstrengende Jahre liegen hinter Gian Marco Albertin, doch die Begeisterung für seine Arbeit ist ungebrochen: «Als Bub habe ich mal so einen roten Forsttraktor im Wald gesehen und war begeistert. Von da an wollte ich nur eins: Forstwart werden. Und das ist immer noch so.»
Aufgewachsen ist er mit drei Geschwistern auf einem Bergbauernhof. Es war früh klar, dass der ältere Bruder den Hof übernimmt. Und genauso klar war für Gian Marco Albertin, dass er in den Wald geht. Nach der Forstwarts-Ausbildung arbeitete er sieben Jahre für ein Engadiner Unternehmen. Dann wollte er doch noch etwas anderes erleben und wurde Versicherungsvertreter. In der Zeit gründete er eine Familie und legte Geld auf die Seite. Denn sein Plan war, eine eigene Firma zu gründen. «Doch mein Chef wollte mich nicht gehen lassen. Ich habe mehrmals angesetzt, um zu künden und liess mich wieder überreden zu bleiben», sagt Gian Marco Albertin. «Da bin ich die Sache umgekehrt angegangen. Ich habe die ersten Maschinen gekauft. Und dann gekündet. Ich wusste, jetzt gibt es kein Zurück.»
Klein anfangen geht aber kaum in dieser Branche. Wer Bäume fällen will, muss sie auch rüsten und transportieren können und das geht einfach nicht von Hand. Zur Grundausstattung eines solchen Unternehmens gehören darum neben den Kettensägen, ein Baggerprozessor, ein Lastwagen mit Holzladekran – und in Bergregionen das Herzstück: ein Gebirgsharvester.
Bei einem Gebirgsharvester ist auf der Ladefläche eines Lastwagens ein ausfahrbarer Turm und ein Baggerarm mit Führerkabine montiert. Am Baggerarm befestigt ist ein Multifunktionskopf, ein sogenanner Harvesterkopf, der einen Stamm packen, entasten und auf die passende Länge zusägen kann. Der Pfeiler dient als Stütze für die unentbehrliche Seilbahn, mit der die geschlagenen Fichten, Föhren oder Lärchen aus den steilen Hängen zum Harvester hochgezogen werden. Anders als im Unterland werden im Engadin nie ganze Flächen geschlagen, sondern nur immer einzelne Stämme verteilt im Wald. So können Bäume natürlich nachwachsen und die Schutzwaldfunktion bleibt erhalten. Die zu schlagenden Bäume liegen aber so rasch hunderte Meter vom Rüstplatz entfernt. Dank der langen Schleppseile gelangen sie dennoch schonend zum Harvester.
Gian Marco Albertins erster, gebrauchter Gebirgsharvester hielt nicht lang. Im dritten Geschäftsjahr gab er seinen Geist auf. Dank Unterstützung der Schweizer Berghilfe konnte er einen neuen anschaffen. «An diesem neuen Gerät läuft vieles automatisch», erklärt Gian Marco Albertin, «das erhöht das Tempo und die Sicherheit bei der Arbeit enorm, man muss gar nicht mehr aussteigen.» Zum Beispiel schliesst sich die Kabine sofort, sobald der Kranführer sägen will. Auch kann man die Transportseile, an denen die Stämme hochgezogen werden, von der Kabine aus lösen.
Die Arbeit mit dem Harvester hat Gian Marco einem jungen Forstwart übergeben. Er selbst fährt oft selbst das Holz zu den Kunden, durch die halbe Schweiz, nach Italien oder Österreich. Nicht nur, weil er gern unterwegs ist. «Als Fahrer lade ich das bestellte Holz im Wald selbst auf den Lastwagen. So kann ich sicherstellen, dass die richtigen Stämme zu den jeweiligen Kunden gelangen. Denn die einen wollen ganz dicke Stämme, die anderen eher dünne. Zudem kann ich so die Holzqualität nochmals überprüfen.»