Neuanfang auf Alp mit Tradition

Familie Egli liebt das einfache Leben auf der Alp. Aber dem alten Plumpsklo trauern sie nicht nach.

Die Alp Obere Abschlagen hat nicht nur einen Namen mit leicht rabiatem Unterton. Auch dort zu leben war schon immer sehr anstrengend und entbehrungsreich.

Das Plumpsklo werden wir sicher nicht vermissen, gell», sagt Erika Egli zu ihrem Mann Sepp. Auch nicht die Feuchtigkeit, die sich an kalten Tagen in der Hütte breit macht. Aber sonst sehe sie der neuen Alphütte mit einem lachenden und einem weinenden Auge entgegen. «Wir haben hier an diesem alten Küchentisch so viele schöne Abende als Familie verbracht. Im Kerzenlicht, weil es keinen Strom gibt. Da macht es mich fast ein bisschen wehmütig, dass wir bald alles abreissen müssen.» Aber sie hätten es ja in der Hand, den Charme der alten Hütte in die neue zu zügeln. «Da freuen wir uns auch sehr drauf.»

Die Alp Obere Abschlagen liegt unterhalb des Speers im Toggenburg, auf 1300 Meter über Meer, 13 Kilometer vom Heimbetrieb der Familie Egli in Krummenau entfernt. Seit Jahrzehnten hat die Familie diese Alp gepachtet. Früher verkästen sie die Milch, da es noch keine Zufahrt gab. Vor zwölf Jahren hat Sepp auf Mutterkuhhaltung umgestellt und mit dem Melken aufgehört. «Dass wir keinen eigenen Alpkäse haben, ist schade. Aber es war die richtige Entscheidung. Wirtschaftlich gesehen und vom Arbeitsaufwand her.»

In den vergangenen Jahrzehnten brachte Sepp, der gelernte Zimmermann, seinen vom Vater übernommenen Betrieb Schritt für Schritt auf Vordermann: Wohnhaus renoviert, neuer Stall auf der Voralp, neuer Stall auf dem Heimbetrieb, alles mit sehr viel Eigenleistung gebaut. Nur die Obere Abschlagen blieb sein Sorgenkind. «Verpächter waren zwei Schwestern in Amerika, deren Eltern emotional an der Oberen Abschlagen hingen. Die Eltern der Verpächterinnen kümmerten sich liebevoll um Kleinigkeiten, für die dringend anfallenden Sanierungen hatte es jedoch nicht gereicht.» Weil es keinen Güllenkasten gab, trat der Gewässerschutz auf den Plan. Doch Frist um Frist verstrich, Ausnahmebewilligung um Ausnahmebewilligung wurde erteilt, ohne dass etwas passiert wäre. Erst beim letzten Ultimatum wurde den Besitzerinnen das Ganze zu viel, und endlich verkauften sie die Alp an Eglis. «Wir waren sehr glücklich über diesen Entscheid und setzten uns sofort mit den zuständigen Ämtern in Verbindung, um nach der besten Lösung zu suchen», so Sepp. Schnell war klar: eine Sanierung des Gebäudes, das sowohl den Tieren als auch den Älplern Unterkunft bot, bringt nichts. Die dunklen, engen Anbindeställe hätten auch mit viel Aufwand nicht tierschutzkonform umgebaut werden können. Also blieb ein Neubau. Weil Sepp vom Schlagen des Bauholzes in den umliegenden Wäldern über das Aufrichten bis zur Verkleidung der Fassade mit Schindeln sehr viel selbst machen kann, wusste er, dass sich die Kosten dafür in Grenzen halten würden. Dennoch hätte es ohne Unterstützung der Schweizer Berghilfe nicht gereicht.

Das Projekt in Kürze

  • Älpler
  • Sanierung der Alp
  • Krummenau/SG

Jetzt kommt die Hütte

Eglis entschieden sich für einen Laufstall mit einfacher, im gleichen Gebäude integrierter Alphütte. Den Stall haben die Kühe und ihre Kälber diesen Frühling bereits in Beschlag genommen. Und sind gemäss Sepp sehr zufrieden damit. «Vom Tierwohl her ist es ein riesiger Schritt. Früher taten sie mir manchmal richtig leid, wie sie da dicht aneinander im niedrigen, heissen Stall angebunden waren.» Jetzt haben die Tiere viel mehr Platz, können rein und raus, wann sie wollen. Doch auch heute noch verbringen sie den grössten Teil des Tages drinnen, wo sie weniger von den vielen Rossbrämen gequält werden, die es hier oben hat. Draussen sind sie hauptsächlich in der Nacht und in den Dämmerungsstunden. Also dann, wenn Eglis bei Kerzenschein in der Alphütte sitzen. Unter der Woche kommt Sepp am Abend meist alleine rauf, verrichtet die anfallende Arbeit, schläft auf der Alp und fährt am Morgen wieder ins Tal runter, um zu Heuen. An den Wochenenden oder in den Ferien kommen Erika und die fünf Kinder aber immer gern mit rauf. «Den Kindern hat es hier oben schon immer gefallen», sagt Erika. Auch die Älteste, die bereits 18 ist, kommt zwischendurch noch sehr gerne mit. «Auch wenn es manchmal mühsam ist, es ist halt auch ein Erlebnis, so einfach zu leben, ohne Strom und fliessend Wasser.» In der neuen Hütte wird es ein bisschen mehr Platz, eine Dusche und ein WC geben, sowie Strom aus einer kleinen Solaranlage für das Licht. Aber eine Steckdose sucht man weiterhin vergebens, und gekocht wird immer noch auf dem Feuer. Erika: «Luxus brauchen wir nicht hier oben.»

Text: Max Hugelshofer

Bilder: Yannick Andrea

Erschienen im September 2017
Die Schweizer Berghilfe leistet finanzielle Unterstützung, wenn das Geld nicht ausreicht, um ein zukunftsweisendes Projekt zu realisieren.