Schatz aus der Eiszeit

Im Gletschergarten in Cavaglia im Puschlav kann man über 30 Gletschertöpfe aus der letzten Eiszeit besichtigen.

Vor 11’000 Jahren bedeckten riesige Eismassen die Schweiz. Im Gletschergarten in Cavaglia kann man die Spuren der letzten Eiszeit heute wieder sehen. In einzelne der über 30 freigelegten Gletschertöpfe kann man sogar hinuntersteigen.

Eiszeit. Der Palügletscher, der vom Berninamassiv ins Val Poschiavo fliesst, hat sich in Cavaglia, am Fuss der Alp Grüm, ausgebreitet. Auf seinem Rückzug versetzt er Schmelzwasser und Geröll am Untergrund in Bewegung. Diese Strudel aus Wasser, Sand und Steinen bohren über Jahrtausende hinweg riesige Löcher ins Felsbett – Gletschertöpfe entstehen. Über 100 sind es insgesamt, der kleinste so gross wie ein Basketball, die grössten 5 Meter breit und bis zu 15 Meter tief.

Nur gerade ein Drittel davon ist heute sichtbar. «Mehr Gletschertöpfe haben wir in den 20 Jahren, in denen wir nun graben, noch nicht freilegen können», erzählt Romeo Lardi, Präsident des Vereins Gletschergarten Cavaglia. Dass sich im Fels unter dem bewaldeten Hügel dieser Schatz aus der Eiszeit verbirgt, war schon länger bekannt. Mehrere Initiativen, die Gletschertöpfe freizulegen, scheiterten jedoch. Bis Romeo Lardi die Sache in die Hand nahm. Er sah das touristische Potenzial solcher eiszeitlichen Relikte, die es bis dahin nur im Gletschergarten in Luzern zu sehen gab. «Ich weiss noch, wie ich als Kind mit der Schule extra nach Luzern gefahren bin, dabei hätten wir noch viel grössere Gletschertöpfe vor unserer Haustür gehabt.»

Das Projekt in Kürze

  • Verein Gletschergarten Cavaglia
  • Bau von WC-Anlagen
  • Cavaglia/GR

1998 gründete Lardi zusammen mit zwei Kollegen den Verein Gletschergarten Cavaglia. Sommer um Sommer schaufelten die Vereinsmitglieder mit Unterstützung von weiteren Freiwilligen tonnenweise Erde, Schlamm und Steine aus den Löchern. Sie befestigten Wege, stellten Infotafeln auf und bauten eine Picknick-Stelle. «Für einen vier Meter breiten Gletschertopf braucht man etwa zehn Stunden, um einen Meter in die Tiefe zu graben», sagt Lardi. «Es dauert also gut zwei bis drei Wochen, bis ein grosser Topf freigelegt ist.» Die zahllosen Stunden Freiwilligenarbeit haben sich gelohnt. «In der Saison 2016 haben wir rund 50’000 Besucher empfangen und 252 Führungen gemacht», sagt Lardi.

Viele Besucher müssen auch viel aufs WC. Und das war bisher ein Problem. «Im Gletschergarten gab es keine sanitäre Einrichtung. Die Leute mussten immer 10 Minuten zum Bahnhof rüberlaufen, wenn sie mal mussten.» Kein Zustand auf Dauer. Doch die Investition für eine WC-Anlage, die wie der ganze Gletschergarten rollstuhlgängig sein sollte, hätte die Vereinskasse gesprengt. «Wir finanzieren uns praktisch nur durch Mitgliederbeiträge und Spenden, welche die Besucher ins Kässeli am Ein- und Ausgang werfen können», sagt Lardi. «Ohne die Unterstützung der Schweizer Berghilfe hätten wir die WC-Anlage nicht bauen können.»

Die erste Etappe in der Entwicklung des Gletschergartens ist nun abgeschlossen. In einer zweiten sollen nochmals bis zu zehn Töpfe freigelegt werden. «Dann hätten wir hier den grössten Gletschergarten Europas», sagt Lardi und schmunzelt: «Meine Mutter hat einmal gesagt: Du hast nicht fünf Kinder, sondern sechs. Nummer sechs, der Gletschergarten, hat mir von allen auf jeden Fall am meisten Arbeit gemacht.»

ghiacciai.info

Text und Bilder: Isabel Plana

Erschienen im September 2017
Die Schweizer Berghilfe leistet finanzielle Unterstützung, wenn das Geld nicht ausreicht, um ein zukunftsweisendes Projekt zu realisieren.