Schinken im Asphalt

Es ist noch gar nicht so lange her, da stiegen die Mineure im Val-de-Travers ins schwarze Tunnellabyrinth hinab, um das schwarze Gold Asphalt abzubauen. Heute sind die Stollen eine Besucherattraktion. Und im dazugehörigen Restaurant wartet eine aussergewöhnliche kulinarische Erfahrung.

Schwarz brodelt der Asphalt in der Blechwanne. Es stinkt wie an einem heissen Sommertag auf einer Strassenbaustelle. Hans Brand drückt den grünen Knopf an seiner Fernbedienung, und der Seilzug holt, dickflüssige Fäden ziehend, eine Art Käfig aus dem heissen Asphalt. Darin liegen gut getarnt acht Päckchen. Ebenfalls klebrig, dampfend, stinkend, nicht sehr appetitlich. Doch schon kurz nachdem Hans angefangen hat, mit einem Messer daran herumzusäbeln, sieht die Sache ganz anders aus. Unter mehreren Schichten Metzgerpapier kommt ein schöner, rosafarbener Schinken zum Vorschein. Und weil Asphalt kein Wasser durchlässt, ist während der vier Stunden Garzeit der ganze Saft im Fleisch geblieben. Auf diese Art kocht man hier in den Asphaltminen im Val-de-Travers schon seit hunderten von Jahren den Mineur-Schinken. Früher nur einmal im Jahr, am Fest zu Ehren der heiligen Barbara, die als Schutzheilige über das Wohl der Bergleute wacht, heute im Wochentakt für die Touristen, welche die stillgelegten Minen besuchen und es sich im dazugehörigen Restaurant gut gehen lassen.

Die ehemalige Asphaltmine ist eine der aussergewöhnlichsten Touristenattraktionen in der Schweiz. Wer weiss schon, dass sich im Tal der Areuse insgesamt 100 Kilometer Stollen durch den Berg ziehen? Oder dass der Asphalt aus dem Val-de-Travers früher ein auf der ganzen Welt gefragtes Luxusprodukt war, für dessen Transport eigens eine Eisenbahnlinie direkt nach Paris gebaut wurde? All das lernt man auf einer geführten Tour durch den zugänglichen Kilometer der Mine. Und man bekommt einen Einblick, wie hart das Leben der Mineure unter Tag gewesen sein muss.

Das Projekt in Kürze

  • Asphaltmine
  • Naturlehrpfad und Dachsanierung
  • Val-de-Travers/NE

Fortschritt brachte den Niedergang

1986 wurden die Asphaltminen im Val-de-Travers stillgelegt – chemisch hergestellte Strassenbeläge waren inzwischen viel billiger als echter, abgebauter Asphalt. Gleich nach der Schliessung wurden die Minen bereits touristisch genutzt. Doch es wurde wenig investiert, die Attraktion geriet nach einem kurzen Boom etwas in Vergessenheit und die Gebäude verlotterten. Bis die örtliche Hoteliersfamilie von Wyss die Minen übernahm. Vater Matthias und die beiden Töchter Andrée und Laure brachten frischen Wind rein, gleisten neue Partnerschaften auf und entstaubten den Auftritt der Minen. «Wir haben hier wirklich spannende Geschichten zu erzählen», sagt Laure. «Wenn wir das auf eine zeitgemässere Weise machen, können wir mit den bekanntesten Attraktionen in der Schweiz mithalten.»

Dazu muss allerdings auch die Infrastruktur stimmen. Und da hapert es. Beim Hauptgebäude regnete es bis vor kurzem durch das charakteristische Dach mit den drei Giebeln, im Winter waren die Räumlichkeiten fast nicht zu heizen. Eine erste Sanierungsetappe hat zumindest diese Probleme behoben. Nun lädt auch im Winter vor oder nach der Führung durch die schwarzen Tunnels das Restaurant zum Verweilen ein. Den Asphaltschinken sollte man sich dabei nicht entgehen lassen.

mines-asphalte.ch

Text: Max Hugelshofer

Bilder: Yannick Andrea

Erschienen im November 2021

Die Unterstützung

Mit Unterstützung der Berghilfe wurden das Dach des Restaurants und Museums abgedichtet und die Räume isoliert. Im Aussenbereich entstand ein kleines Naturschutzgebiet mit einem spannenden Quiz, das man vor Ort per Tablet oder Smartphone absolvieren kann.
Die Schweizer Berghilfe leistet finanzielle Unterstützung, wenn das Geld nicht ausreicht, um ein zukunftsweisendes Projekt zu realisieren.