Seilbahn statt Helikopter

Dank einer längeren Forstseilbahn kann Felix Bissig Holzschläge ausführen, für die es vorher einen Helikopter brauchte.

Intschi im Urner Reusstal, in der knallrote Kabine der Seilbahn, die zum Arni hochführt. Mit dabei ist Felix Bissig. Der bärtige Urner kennt die Wälder in der Gegend wie seine Westentasche. Er ist als Forstunternehmer im ganzen Kanton tätig und gerade auf dem Weg zu seinem aktuellen Holzschlag. Zu Fuss geht es dem zugefrorenen Arnisee entlang, dann weg vom Weg, durch den Schnee rein in den Wald. Erst geht es flach zwischen den Bäumen hindurch, kaum ein Laut ist zu hören. «Da hinten, ein Gämsi», flüstert Felix. Dann geht es über eine Kuppe, und das Gelände fällt steil ab. Plötzlich tönt ein sirenenartiges Heulen aus der Ferne. Erst ganz leise und etwas unheimlich, dann mit jedem Schritt lauter. «Das ist nur die Forstseilbahn», erklärt Felix mit einem Schmunzeln ob den erstaunten Gesichtern seiner Begleiter. «Seilbahn? Seit wann tönt so eine Seilbahn?», fragen sich diese verwundert. Sobald das Ding in Sicht kommt, ist klar: Es ist keine normale Seilbahn. Was da mitten im Wald steht, ist eine überdimensionierte Seilwinde, die von einem Dieselmotor angetrieben wird. Und der Lärm, der hier trotz Gehörschutz höllisch laut ist, stammt von der Luftbremse, welche das auf eine Trommel aufgewickelte Zugseil abbremst. An dieses Seil werden weiter unten die geschlagenen Bäume angehängt und ins Tal hinuntergelassen.

Wie das genau funktionieren soll, bleibt vorerst unklar, denn von einem Tragseil und von Masten ist weit und breit nichts zu sehen. Erst eine weitere Kletterpartie hangabwärts bringt Klarheit. Zuerst kommt der oberste Mast in Sicht. Felix hat ihn vor Ort aus einem Baumstamm gefertigt. Von hier aus führt das Tragseil über weiterer Masten auf einer Länge von mehr als anderthalb Kilometern hinunter zum Talboden. Weiter geht der Weg nach unten. Jetzt sieht man, dass hier kürzlich geholzt wurde. Zeugen sind frische Baumstrünke und Äste auf dem Waldboden. Von den normalerweise nach einem Holzschlag sichtbaren Schleif- und Traktorenspuren ist jedoch nichts zu sehen. Kein Wunder: Das Gelände ist so steil, dass man zu Fuss schon aufpassen muss. Hier könnte keine Forstmaschine reinfahren.

Das Projekt in Kürze

  • Forstunternehmer
  • Anschaffung Forstseilbahn
  • Intschi/UR

Mehr Wertschöpfung im Tal

Das Knattern einer Motorsäge kündigt an, dass wir uns der Stelle nähern, an der Felix’s Leute im Moment am Arbeiten sind. Es sind immer mindestens drei, und sie stehen per Funk miteinander in Kontakt. Überall liegen Bäume herum, die auf den Abtransport warten. Vom Tal unten nähert sich auf dem Tragseil eine gelbe Vorrichtung, die Laufkatze. Sie wird vom Zug hochgezogen. Dann gibt der Mann im Holzschlag über Funk demjenigen oben bei der Seilwinde das Kommando zum Stoppen. Nun gleitet das Ende des Seils mit dem Haken daran langsam nach unten. Der Forstarbeiter hängt drei Stahlseile an den Haken, die er vorher bereits um Baumstämme und grosse Äste geschlungen hat. Ein weiterer Funkspruch nach oben, und die sperrige Fracht hebt sich vom Boden und zum Tragseil hoch. Dann kann die Fahrt ins Tal beginnen. Erst langsam, dann mit bis zu 50 Kilometern pro Stunde, sausen die Bäume nach unten. Von weiter oben hört man nun wieder leise das Heulen der Luftbremse.

Das Holz in diesem Steilhang ernten kann Felix Bissig nur dank der neuen, leistungsstärkeren Forstseilbahn, die er sich dank der Unterstützung der Schweizer Berghilfe anschaffen konnte. Die bisherige wäre zu kurz gewesen. Und ohne passende Forstseilbahn gäbe es nur eine Möglichkeit, das Holz in diesem Steilhang zu ernten: der Helikopter. Auch Felix hat schon auf den Heli zurückgegriffen, aber nur bei Holzschlägen, die so abgelegen waren, dass auch seine Seilbahn nichts mehr ausrichten konnte. Der Transport per Seilbahn dauert zwar viel länger und ist teilweise nur unwesentlich günstiger als der per Heli. Doch er schafft Arbeitsplätze. Was mit dem Heli drei Personen einen einzigen Tag Arbeit gibt, beschäftigt mit der Seilbahn ein halbes Dutzend Forstarbeiter mehrere Wochen lang. «Es bleibt einfach mehr von der Wertschöpfung im Tal», sagt Felix. Er, der die Schule immer gehasst und nie eine Ausbildung gemacht hat, ist dank des Bergwaldes per Zufall zum Unternehmer geworden. Seit seiner Jugend geht er im Sommer z’Alp. Im Winter verdiente er sich jeweils im Forst etwas dazu. Er lernte dabei auch immer mehr über Forstseilbahnen. Irgendwann hörte sein damaliger Chef auf und fragte ihn, ob er nicht übernehmen wolle. «Plötzlich war ich der Chef», erinnert sich Felix heute noch kopfschüttelnd. Heute beschäftigt er drei Festangestellte das ganze Jahr über und im Winter jeweils je nach Bedarf noch viele Weitere. Einen schriftlichen Vertrag hat keiner von ihnen. «Das bringt doch nichts. Ich stehe zu meinem Wort», sagt Felix. Seine Angestellten können dies bestätigen: Die meisten arbeiten schon seit Jahren für Felix.

Inzwischen sind die neuen Stämme unten angekommen. Ein weiterer Forstarbeiter in einem Bagger hat sie in Empfang genommen. Der Bagger greift sich die Stämme, und sie werden von einem Prozessor genannten Gerät automatisch entastet und dann der Qualität nach sortiert. Diejenigen, die für Bauholz taugen, werden direkt bei der Talstation der Forstseilbahn von Lastwagen abgeholt und in die Sägerei gebracht. Der Rest wird vor Ort gehäckselt und zu Holzschnitzeln verarbeitet.

Text: Max Hugelshofer

Bilder: Yannick Andrea

Erschienen im März 2018
Die Schweizer Berghilfe leistet finanzielle Unterstützung, wenn das Geld nicht ausreicht, um ein zukunftsweisendes Projekt zu realisieren.