Ständige Behirtung dank neuer Hütte

Eine komplette Hütte, die per Helikopter in die Ostflanke des wilden Val Suretta geflogen wurde, ermöglicht eine nachhaltige Beweidung der anspruchsvollen Schafalp.

Die Schafweiden der Alp Suretta bei Sufers/GR sind sehr steil, felsig und steinschlaggefährdet. Insgesamt weiden ca. 400 Schafe, 30 Rinder, 25 Ziegen sowie Pferde und Esel auf der Sufner Alp. Hoch über den Rinderweiden, bis hinauf auf 2700 m.ü.M., liegen die Schafweiden. Tausend Meter tiefer, hinab über jähe Felswände, liegt die Hütte im Talboden der Alp. Bis 2002 wurden die Schafe im freien Weidegang gehalten. Die Hirten konzentrierten sich aufs Rindvieh, hielten die Schafe per Feldstecher im Auge und kontrollierten sie sporadisch. Oft konnten die Tiere aber bei überraschenden Wintereinbrüchen wie 2002 oder Wetterumstürzen nicht rechtzeitig zusammengetrieben werden, was zu erheblichen Verlusten führen konnte.

Spektakulärer Transport mit dem Helikopter

«Vor zwei Jahren beschlossen wir, auf der Schafweide eine Schutzhütte einzurichten», berichtet Reto Heinz, Präsident der Alpgenossenschaft Suretta. Die Notwendigkeit war da, allerdings fehlte das Geld dazu. Der Kanton Graubünden sprach einen Geldbetrag und entschloss sich, das Unterfangen im Rahmen eines Pilotprojektes zu begleiten. Das Zünglein an der Waage aber spielte die Schweizer Berghilfe: Erst durch ihre Unterstützungszusage konnte die Finanzierung gesichert werden.In einer spektakulären Aktion wurde die fertige Hirtenhütte Mitte Juli per Helikopter auf die Schafweide geflogen. Der aussergewöhnliche Hüttliflug wurde vom Schweizer Fernsehen gefilmt und in einer Reportage in «Schweiz Aktuell» ausgestrahlt. Der Hirte Peter Lüthi zeigt sich überglücklich: «Jetzt kann ich mich besser um die Schafe kümmern. Ich habe mehr Zeit für mich und kann mich bei Blitz und Hagel in die sichere Hütte zurückziehen.»

Wegweisendes Pilotprojekt

Für den Kanton Graubünden steht fest: «Wenn sich das Pilotprojekt bewährt, können auch auf anderen Alpen mit ähnlichen Bedingungen solche Schäferhütten aufgestellt werden», erklärt Valentin Luzi vom Kantonalen Amt für Landwirtschaft, Strukturverbesserungen und Vermessung. Er ergänzt: «Die 12,5 Quadratmeter grosse Fertig-Hütte verspricht einen nachhaltigen und zukunftsorientierten Einsatz. Sie ist robust, langlebig und sehr zweckmässig.»

«Das Leben als Hirte bedeutet Freiheit»

Nach sechs Sommern als Galtviehhirte ist Peter Lüthi (47) seit vier Jahren Schafhirte auf der Alp Suretta. Im Interview erzählt er aus seinem Hirtenleben.

Sie hüten auf der Alp Suretta 400 Schafe, zusätzlich auch Rinder, Ziegen, Pferde und Esel, die neun Bauern in Sufers gehören. Was macht die Faszination Ihres Berufes aus? «Für mich bedeutet Hirte sein Freiheit und Erfüllung. Ich verbringe den Tag draussen in der Natur mitten in einer faszinierenden Bergwelt und habe eine verantwortungsvolle und spannende Arbeit.»

Wie verbringen Sie den Tag auf der Alp? «In unserem Hirtenteam liegt die Verantwortung für die Schafe hauptsächlich bei mir, während meine Kollegen, Elisabeth Mock und Albin Büchler, mehrheitlich zu den übrigen Herden schauen. Als Schafhirt sorge ich dafür, dass die Herde zur richtigen Zeit am richtigen Ort und auf guten Weiden steht. Es geht darum, kranke oder verletzte Tiere zu entdecken und diese zu pflegen bzw. tödlich verunglückte Tiere zu finden und zu melden. Schafe hüten heisst, tagelang durch unwegsames Gelände zu laufen, aufmerksam zu beobachten und eine enge Beziehung zur Herde und zu den Hunden zu haben. Bei Bedarf muss ich die Herde innert kurzer Frist sammeln und verschieben können.»

Können Schafe auch krank werden? «Ja natürlich. Sie können in Steinschläge geraten oder abstürzen. Oder sie können sich die Knochen brechen, an der Gemsblindheit, bösartigen Herpesinfektionen oder anderen Krankheiten leiden. Wir haben auf Suretta schon diverse Beinbrüche erfolgreich gegipst oder erblindete Schafe mit Salbe geheilt. Selbst als Geburtshelfer mussten wir uns bewähren ...»

Wie können Sie einzelne Schafe aus einer Herde von 400 Tieren erkennen? «Sie alle haben verschiedene körperliche Merkmale wie Rasse, Art und Farbe der Wolle, Körperbau und Grösse oder Alter und Geschlecht. Sie unterscheiden sich im Charakter, ihrem Verhalten und in ihrer Stimme. Zudem hat jeder Besitzer eine andere Farbmarkierung für seine Schafe. Und die verschiedenen Glockenformen und -klänge der Leitschafe sind ebenfalls sehr gute Erkennungsmerkmale.»

Wie gefällt Ihnen die neue Hütte? «Ich bin begeistert. Sie ist zwar klein, aber sehr schön, heimelig und zweckmässig. Das Hüttli bietet mir bei Donner- und Hagelwetter ein sicheres Dach über dem Kopf. Es wurde auf einer Hangterrasse hinter einen grossen Felsblock gestellt, der hoffentlich Schutz vor Lawinen und Steinschlag bietet. Durchs Hüttenfenster übers Tal zu schauen, ist ein wenig wie fliegen!»

Wie hat die Alphütte Ihr Hirtenleben verändert? «Die alltäglichen und weiten Auf- und Abstiege durch Geröllhalden, Tobel und rutschige Grashänge sind jetzt fakultativ. So habe ich mehr Zeit für die Schafe und für mich selber.»

Wie wird man Hirte? «Im Gegensatz zu Deutschland und Frankreich gibt es bei uns keine richtige Ausbildung. Am besten geht man zuerst als Gehilfin oder Gehilfe mit einem erfahrenen Hirten auf die Alp. Voraussetzung sind Freude und Interesse an den Tieren und der Natur, Selbstständigkeit, Belastbarkeit, wache Sinne und eine ausgeprägte Beobachtungsgabe und natürlich Wetterfestigkeit, Trittsicherheit und eine Top-Kondition.»

Was tun Sie ausserhalb der Alpzeit? «Ich arbeite als freier Mitarbeiter in der Entwicklungszusammenarbeit für eine gemeinnützige Stiftung. Ich bin zuständig für die Kampagnen und Kommunikation. Somit arbeite ich vor allem als Konzepter, Fotograf, Journalist und Campaigner.»

Wie viele Monate arbeiten Sie auf der Alp? «Auf Suretta bin ich je nach Wetter rund dreieinhalb Monate: von Mitte Juni bis Anfang Oktober.»

Erschienen im August 2006

Das Projekt in Kürze

  • Sufers/GR

Die Schweizer Berghilfe leistet finanzielle Unterstützung, wenn das Geld nicht ausreicht, um ein zukunftsweisendes Projekt zu realisieren.