Mario Scarpatetti hat schon viel erreicht: ein eigenes Geschäft aufgebaut, gemeinsam mit einem Partner eine eigene Armbanduhr-Serie auf den Markt gebracht und eine eigene Erfindung patentieren lassen – eine Uhr mit ewiger Datumsanzeige, in die er ein spezielles Zahnrad einbauen musste, das in 400 Jahren eine Umdrehung zurücklegt. Kaum zu glauben, dass Mario erst 33-jährig ist. Aber er hat schliesslich auch früh angefangen. Bereits als Kind sammelte er leidenschaftlich Wecker, und noch leidenschaftlicher nahm er sie auseinander und baute sie wieder zusammen. «Ich wollte immer schon Uhrmacher werden. Etwas anderes kam nie in Frage», sagt er. Er hatte Glück und fand eine Lehrstelle im eine Stunde entfernten Thusis in einer Bijouterie. Danach zog er weiter ins St. Gallische. Doch schon bald reichte ihm die tägliche Arbeit mit Batterie-Wechseln, Armbänder anpassen und vielleicht mal ein Uhrwerk gründlich reinigen nicht mehr. Er reduzierte sein Pensum, konstruierte seine Uhr mit ewiger Datumsanzeige und nahm nebenbei Aufträge für umfassendere Revisionen an. «Das Interesse war riesig», erinnert er sich. Denn es gibt nicht mehr viele Uhrmacher in der Schweiz. Und schon gar nicht solche, die vor keinem Spezialfall zurückschrecken. Als dann in Parsonz, wo er aufgewachsen war, ein während langer Zeit leerstehendes Haus in den Verkauf kam, entschloss sich Mario, alles auf eine Karte zu setzen und den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen.
Das Haus konnte er mit seinem Ersparten finanzieren, die wichtigsten Maschinen, Werkzeuge und einen grossen Stock an Ersatzteilen besass er schon. Doch weil sich die Aufträge stapelten, musste er nach Möglichkeiten suchen, bei den Arbeiten, die nicht direkt sein handwerkliches Wissen und Geschick erfordern, effizienter zu werden. Also bei der Reinigung. «Es ist sehr wichtig, dass Kleinteile wirklich absolut sauber sind. Da ging immer viel Zeit drauf», erklärt er. Mit Unterstützung der Schweizer Berghilfe schaffte er sich deshalb ein Ultraschallbad und eine vollautomatische Spülmaschine für Kleinteile an. Und hat jetzt mehr Zeit für die wirkliche Uhrmacherarbeit. Etwa für die Revision der Standuhr, die ein Kunde soeben vorbeigebracht hat, weil sie nicht mehr richtig läuft.
Text: Max Hugelshofer
Fotos: Yannik Andrea
Erschienen im
November 2024