Tick-tack ohne Schnickschnack

Grosse Uhren, kleine Uhren, alte Uhren, neue Uhren. Uhren, die stillgestanden sind, und Uhren, die wieder auf die Zehntelsekunde genau gehen. Um sie dreht sich das Leben von Mario Scarpatetti, der es geschafft hat, im abgelegenen Weiler Parsonz eine landesweit bekannte Uhrmacherwerkstatt aufzubauen.

Viel gibt es nicht in diesem abgelegenen Weiler oberhalb von Savognin. Eine Kirche, eine Bushaltestelle, ein Restaurant, einige Bauernbetriebe und Wohnhäuser. Und ein grosses, altes Haus, an dessen Fassade «Uhrmacher» steht. Eine Uhrmacherwerkstatt? Hier oben? «Es kommt gar nicht so drauf an, wo ich meine Werkstatt habe», sagt der dazugehörige Uhrmacher, Mario Scarpatetti, «die Kundschaft kommt sowieso aus der ganzen Schweiz zu mir.»

Denn Mario ist ein ganz spezieller Uhrmacher. Einer, der jede Uhr wieder zum Laufen bringt. Und wenn er dazu jedes einzelne Teil von Hand nachbauen muss. So etwas spricht sich herum. Die Leute hängen eine Woche Ferien im Engadin an, wenn sie ihm die Standuhr von Urgrosstante Amalia zur Revision vorbeibringen, oder sie verbinden einen Skitag in Savognin mit dem Abliefern der stehengebliebenen Wanduhr, die sie kürzlich in einem Antiquariat in Paris aufgestöbert haben. Und fast alle werfen dabei gerne auch einen etwas längeren Blick in Marios Werkstatt. Bildschirme und elektronische Komponenten sucht man hier vergeblich. Dafür sind viele eindrückliche, alte Maschinen um die zentral im Raum stehende Werkbank angeordnet. Einige nur so gross wie ein Toaster, andere vom Format einer halben Einbauküche. Die grösste und schwerste Maschine ist diejenige, die Mario für die feinsten Arbeiten braucht. Auf ihr kann er Zahnräder, Federn und Buchsen auf den Hundertstelmillimeter genau bearbeiten. Hier unten im Erdgeschoss des Hauses, das mit den vielen antiken Uhren überall und den alten Möbeln ein bisschen an ein Museum erinnert, befindet sich allerdings lediglich die Werkstatt fürs «Grobe». Die «saubere» Werkstatt hat Mario einen Stock weiter oben eingerichtet. «Es ist wichtig, die Arbeiten, bei denen Staub oder feine Metallspäne entstehen können, räumlich von jenen zu trennen, bei denen Sauberkeit wichtig ist», erklärt er.

Das Projekt in Kürze

  • Uhrmacherwerkstatt
  • Neue Geräte
  • Parsonz/GR

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Ewige Datumsanzeige erfunden

Mario Scarpatetti hat schon viel erreicht: ein eigenes Geschäft aufgebaut, gemeinsam mit einem Partner eine eigene Armbanduhr-Serie auf den Markt gebracht und eine eigene Erfindung patentieren lassen – eine Uhr mit ewiger Datumsanzeige, in die er ein spezielles Zahnrad einbauen musste, das in 400 Jahren eine Umdrehung zurücklegt. Kaum zu glauben, dass Mario erst 33-jährig ist. Aber er hat schliesslich auch früh angefangen. Bereits als Kind sammelte er leidenschaftlich Wecker, und noch leidenschaftlicher nahm er sie auseinander und baute sie wieder zusammen. «Ich wollte immer schon Uhrmacher werden. Etwas anderes kam nie in Frage», sagt er. Er hatte Glück und fand eine Lehrstelle im eine Stunde entfernten Thusis in einer Bijouterie. Danach zog er weiter ins St. Gallische. Doch schon bald reichte ihm die tägliche Arbeit mit Batterie-Wechseln, Armbänder anpassen und vielleicht mal ein Uhrwerk gründlich reinigen nicht mehr. Er reduzierte sein Pensum, konstruierte seine Uhr mit ewiger Datumsanzeige und nahm nebenbei Aufträge für umfassendere Revisionen an. «Das Interesse war riesig», erinnert er sich. Denn es gibt nicht mehr viele Uhrmacher in der Schweiz. Und schon gar nicht solche, die vor keinem Spezialfall zurückschrecken. Als dann in Parsonz, wo er aufgewachsen war, ein während langer Zeit leerstehendes Haus in den Verkauf kam, entschloss sich Mario, alles auf eine Karte zu setzen und den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen.

Das Haus konnte er mit seinem Ersparten finanzieren, die wichtigsten Maschinen, Werkzeuge und einen grossen Stock an Ersatzteilen besass er schon. Doch weil sich die Aufträge stapelten, musste er nach Möglichkeiten suchen, bei den Arbeiten, die nicht direkt sein handwerkliches Wissen und Geschick erfordern, effizienter zu werden. Also bei der Reinigung. «Es ist sehr wichtig, dass Kleinteile wirklich absolut sauber sind. Da ging immer viel Zeit drauf», erklärt er. Mit Unterstützung der Schweizer Berghilfe schaffte er sich deshalb ein Ultraschallbad und eine vollautomatische Spülmaschine für Kleinteile an. Und hat jetzt mehr Zeit für die wirkliche Uhrmacherarbeit. Etwa für die Revision der Standuhr, die ein Kunde soeben vorbeigebracht hat, weil sie nicht mehr richtig läuft.

Text: Max Hugelshofer

Fotos: Yannik Andrea

Erschienen im November 2024

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