Tief im Wald die Seele baumeln lassen
Der Seelensteg in Entlebuch ist ein Rundweg auf Holzplanken, der zu Naturerlebnissen einlädt. Die verfaulten Holzbretter mussten dringend ersetzt werden.
Der Seelensteg in Entlebuch ist ein Rundweg auf Holzplanken, der zu Naturerlebnissen einlädt. Die verfaulten Holzbretter mussten dringend ersetzt werden.
Heiligkreuz gehört zur Gemeinde Hasle, liegt aber etwas erhöht und bietet einen wunderbaren Blick über das Entlebuch und auf die Hügelkette des Napf. Die Kirche Heiligkreuz ist ein beliebter Wallfahrtsort und zog im 18. Jahrhundert an wichtigen Festtagen jeweils bis zu 6000 Pilger an. Heute interessieren sich längst nicht mehr so viele Menschen für das Holzstück, das der Legende nach aus dem Kreuz Jesu stammt und in der Kirche einen Ehrenplatz hat. Bereits in den Dreissigerjahren versuchte deshalb ein Anwohner, neue Gästeanzulocken. Ein Skilift erfüllte diese Aufgabe lange Zeit ganz gut, je länger desto öfter blieb er aber wegen Schneemangel im Winter geschlossen. Ende 1999 beschloss dann die Arbeitsgruppe Bildung, Erholung und Tourismus der Unesco-Biosphäre Entlebuch zusammen mit der Pflegschaft Heiligkreuz, dem Katechet Hans Stöckli sowie den beiden Waldpädagogenund Förstern Beat Burren und Urs Felder, in einem nicht genutzten Stück Wald nahe der Kirche einen sogenannten Seelensteg zu bauen – einen Rundweg auf Holzplanken, der zu den schönsten Stellen des urtümlichen Waldes führt. Kurz nach diesem Entscheid tobte Lothar. Der Sturm wütete im Entlebuch ganz besonders und machte in der Umgebung von Heiligkreuz ganze Waldstücke dem Erdboden gleich. Förster Felder hatte plötzlich Holz im Überfluss, doch die Preise fielen zusammen. Felder machte aus der Not eine Tugend: Er liess einen Teil des vielen Holzes gleich vor Ort zusägen und nutzte es für den Bau des Seelenstegs.
Der Steg entwickelte sich über die Jahre zu einer zwar kleinen, aber sehr geschätzten Touristenattraktion. Die Pflegschaft begann, Heiligkreuz als Kraftort zu vermarkten. Die Kirche bringt die geistliche Kraft, der Wald und freistehende,grosse Bäume auf den Feldern vermitteln die Kraft der Natur. «Wir liessen den Seelensteg nachträglich von einem Spezialisten der Geomantie untersuchen. Dabei haben wir festgestellt, dass viele der schönsten Punkte eine grosse positive Energie ausstrahlen», sagt Felder. «Aber auch wer das alles für Humbug hält, kommt hier auf seine Kosten», fügt er schmunzelnd hinzu. «Die Natur ist wunderschön, ringsum liegt ein fantastisches Wander- und Bike-Gebiet, und seit fünf Jahren haben wir mit unserem Märliweg Wurzilla auch für Familien mit Kindern ein tolles Angebot.» Heiligkreuz konnte mit diesen Aktivitäten lebendig erhalten werden. Von den Besuchern profitierte das Restaurant vor Ort, aber indirekt auch alle anderen Gaststätten und Geschäfte in der Umgebung sowie die Landwirte mit der Vermarktung von regionalen Produkten. Doch das raue Klima auf der Hügelkette setzte dem Seelensteg über die Jahre hinweg arg zu. Die Planken, vor allem aber die bodennahen Rundhölzer, faulten in der Feuchtigkeit und wurden zum Sicherheitsrisiko. «Wir mussten etwas tun», sagt Felder.
Es gab zwei Möglichkeiten: abreissen oder neu aufbauen. «Der Seelensteg ist eine wichtige Attraktion für die Region. Wir wollten ihn unbedingt erhalten.» Das Problem war das Geld. Die Pflegschaft selbst besitzt nur geringefinanzielle Mittel, also machte sich Felder auf die Suche nach Sponsoren. Unterstützung fand er beim Kanton Luzern und der Gemeinde, aber auch bei Stiftungen und vielen Privatpersonen. Ausserdem konnte er die Kosten senken,indem er Firmen dafür gewinnen konnte, Lehrlingslager für Arbeitseinsätze in Heiligkreuz zu nutzen. Trotzdem blieb noch eine Finanzierungslücke. Die Schweizer Berghilfe schloss diese mit ihrem Beitrag. «Wir sind sehr dankbar fürdiese Hilfe», sagt Felder. Nur so sei eine rasche Umsetzung möglich gewesen. Und diese war dringend nötig, da der alte Steg aus Sicherheitsgründen vergangenes Jahr geschlossen werden musste. «Ohne die Berghilfe wäre die Realisierung des Neubaus sehr schwierig geworden.»
Doch so wurden in den vergangenen Wochen die letzten Arbeiten erledigt. Das neue, helle Holz des Stegs leuchtet im schattigen Wald. Die Stützpfähle sind nun aus besonders widerstandsfähigem Robinienholz gefertigt, und die Bretter nicht mehr der Länge nach angebracht, sondern quer. Somit sind sie viel kleiner und können bei Bedarf einzeln ersetzt werden. Ausserdem liegen nun Gummimatten zwischen Pfählen und Aufbau, was den Pilzbefall erschwert und damitder Fäulnis entgegenwirkt. Imprägniert wurde das verwendete Holz aber nicht. «Es war uns wichtig, keine giftigen Stoffe in den Wald zu bringen», sagt Felder. Ebenso wichtig war ihm, ausschliesslich Holz aus der Region zu verwenden.Eingeweiht wird der neu erbaute Seelensteg am Samstag, 16. Juni. Dann können die Besucher zum ersten Mal auf dem neuen Steg die Kräfte des Waldes spüren.