Vom Pferdestall zur Absinth-Destillerie

Das Val de Travers ist die Heimat des Absinths. In Couvet, wo der Schnaps erfunden wurde, betreibt Philippe Martin seine Destillerie «Absinthe La Valote Martin» in einem ehemaligen Pferdestall. Aber nicht in irgendeinem Pferdestall, sondern in jenem der Familie Pernod. Sie war die erste Familie, die den Absinth Ende des 18. Jahrhunderts im grossen Stil herstellte.

Wo einst Pferde schnaubten und Hufe auf dem Boden widerhallten, duftet es heute nach Kräutern und Anis: In einem alten Pferdestall in Couvet im Val de Travers produziert seit kurzem Philippe Martin seinen Absinth. Allerdings nicht in irgendeinem Pferdestall, sondern in jenem, der einst zum Anwesen der Familie Pernod gehörte. Diese kam gegen Ende des 18. Jahrhunderts nach Couvet und produzierte als erste Familie den Absinth im industriellen Stil. Kurze Zeit später expandierten die Pernods ins nahe Pontarlier nach Frankreich. Das Grundstück in Couvet behielt die Familie noch einige Zeit als Ferienan­wesen, bis sie es in den 1930er-Jahren verkaufte. Mehrere Jahrzehnte blieb der ehema­lige Pferdestall unbenutzt. Nun haucht Philippe Martin mit seiner Destillerie «Absinthe La Valote Martin» dem Haus wieder neues Leben ein.

Das Projekt in Kürze

  • Absinth-Destillerie
  • Sanierung eines ehemaligen Pferdestalls
  • Couvet/NE

Keine Heizung und kein warmes Wasser

Bisher produzierte Philippe Martin seinen Absinth in einem Haus im Nachbardorf Boveresse. Aus Funktionalitätsgründen mussten aber neue Räumlichkeiten her: «Am vor­herigen Ort hatte ich keine Heizung und kein warmes Wasser. Das war vor allem für die Reinigung der Destillierapparate nicht ideal», sagt der 53-Jährige. Rund 8000 Liter der grünen Fee produziert der gelernte Elektriker jährlich. Seine Destillerie hat er 2014 von seinem Vater übernommen und von ihm lernte er auch das Handwerk des Destillateurs. «Seit ich mich erinnern kann, destilliert mein Vater Absinth. Zur damaligen Zeit halt noch heimlich zu Hause in der Badewanne», erzählt Philippe Martin. Denn viele Jahrzehnte war die Herstellung von Absinth gesetzlich verboten. Das Verbot trat 1910 in Kraft. Damals galt Absinth als Verursacher von Halluzinationen und wurde für alles Übel der Gesellschaft verantwortlich gemacht. Das Verbot traf die Wirtschaft im Val de Travers hart, viele Brenner machten deshalb im Untergrund weiter und sahen sich als Wider­standskämpfer. So auch Philipp Martins Vater. 2005, als das Verbot aufgehoben wurde, gründete er seine eigene, legale Destillerie.

Schweizer Berghilfe unterstützte die Sanierung mit 100 000 Franken

Bevor Philippe Martin mit seiner Destillerie in den ehemaligen Pferdestall einziehen konnte, musste einiges umgebaut werden. «Es brauchte einen neuen Boden, eine neue Heizung, wir mussten die Wände isolieren, neue Fenster einbauen und neue Stromleitun­gen legen. Das gab einiges zu tun», sagt Philippe Martin. Und weil er sein Erspartes mit dem Kauf des Hauses fast vollständig aufgebraucht hatte, konnte er die Investition von rund 430 000 Franken für den Umbau nicht aus eigener Kraft stemmen. Deshalb unter­stützte ihn die Schweizer Berghilfe mit 100 000 Franken. «Für die wirtschaftliche Entwick­lung der Region spielt der Absinth eine sehr wichtige Rolle», sagt Jean-Maurice Rasper, ehrenamtlicher Experte bei der Schweizer Berghilfe, und fügt an: «Der Absinth lockt viele Touristen ins Val de Travers. Deshalb ist es umso wichtiger, dass professionelle und tra­ditionsreiche Destillerien wie jene von Philippe Martin überleben und so wichtige Wert­schöpfung im Tal behalten können».

Text: Lukas Ziegler

Fotos: Lukas Ziegler und «Absinthe La Valote Martin»

Erschienen im Februar 2025

Die Schweizer Berghilfe leistet finanzielle Unterstützung, wenn das Geld nicht ausreicht, um ein zukunftsweisendes Projekt zu realisieren.