«Ich habe öfters erlebt, dass Kleinkinder auf unserem grasigen, unebenen Boden nicht laufen können. Wo soll ein Kind das zwischen Wohnblöcken lernen? Sogar hier im Wallis, wo man die Natur vor der Nase hat, ist es nicht mehr selbstverständlich, dass die Kinder rauskommen. Darum habe ich vor fünf Jahren die Naturspielgruppe Tschüdanga hier im Pfynwald gegründet. Jeweils drei bis neun Vorschulkinder sind bis zu einem ganzen Tag bei uns, immer draussen. Der Ablauf folgt einem festen Ritual. Vom Verabschieden von den Eltern bei der Brücke, über das Ankommen vor dem Haus, dem Spiel um das Weidenhaus bis zum Ausflug zum Waldsofa beim Fluss setzen die beiden Betreuungspersonen einen festen, vertrauten Rahmen. Das gibt den Kindern den nötigen Halt, um sich mit der Umgebung auseinanderzusetzen.
Wir halten Pferde, Ponys, Ziegen und Hühner. Ausser den Pferden laufen alle Tiere frei auf dem Gelände herum. So lernen die Kinder zu erkennen, wann ein Tier Nähe will und wann es in Ruhe gelassen werden möchte. Mit «wir» meine ich unser 20-köpfiges Team, welches ganz unterschiedliche Angebote umsetzt. Die Naturspielgruppe ist eines davon. Andere Angebote sind der Gemeinschaftsgarten, eine Zirkuswoche, Künstler-Residenzen und vieles mehr. Alles wird zweisprachig geführt und zielt auf die Sensibilisierung, auf den Kontakt zur Natur, auf das Wecken aller Sinne. Ich bin ausgebildete Pädagogin mit einer Masterausbildung in Bewegungstheater und leite den Betrieb. Die Mitarbeitenden bringen professionelle Grundlagen mit. Dennoch bilden wir jede Betreuungsperson wegen der hier eigenen Bedingungen zusätzlich aus. Das ist absolut zwingend. Denn wir machen ja ausschliesslich «gefährliche» Sachen. Die frei laufenden Tiere sind ein Risiko, der nahe Fluss ist ein Risiko, ein herunterfallender Ast ist ein Risiko … sogar die Brennnesseln an den Rändern der Spielwiese sind eines. Neulich fragte eine Mutter, ob wir diese gefährlichen Pflanzen nicht schneiden wollen. Da musste ich lachen. Die Idee unserer Naturspielgruppe ist ja, dass die Kinder ganzheitliche Erfahrungen machen können: dass eine Brennnessel brennt, aber dass man sie sogar essen kann. Wir zeigen den Kindern, wie man die Pflanzen gefahrlos pflückt. Dann kochen wir sie zusammen und es gibt daraus einen Powersnack. Es sind solche Erlebnisse, die den Kindern einen starken Bezug zur Natur geben. Und Selbstsicherheit.