Wo Stromerzeugung nach Kakao riecht

Zwei Landwirte steigen erfolgreich in die Biogasproduktion ein. Ende 2021 startete die Anlage. Anfang 2023 erwies sie sich im Zusammenhang in der Energiekrise bereits als überaus notwendig.

Jean-Luc Bonjour und Aurèle Chiffelle, zwei Landwirte aus Lignières im Kanton Neuenburg, sind seit über 25 Jahren Partner im landwirtschaftlichen Betrieb. Sie haben zudem gemeinsam das landwirtschaftliche Transportunternehmen TeamAgri SA gegründet, mit dem sie Wartungsarbeiten und Gütertransporte aller Art durchführen. Vor einigen Jahren entschieden sie sich, ihre Aktivitäten weiter zu diversifizieren: Sie errichteten eine Biomasseanlage, mit der erneuerbare Energie und Wärme erzeugt werden kann. Dabei werden organische Abfälle wie Gülle und Mist von Landwirten aus der Region sowie andere Abfallprodukte in Energie umgewandelt. Die Anlage läuft heute mit voller Leistung und schnurrt nahezu lautlos zwischen den Feldern von Lignières. Sie verströmt kaum einen Geruch – nur ein leichter Kakaoduft liegt in der Luft.

Die Idee zum Projekt hatte Jean-Lucs Sohn Maxime Bonjour. Er hat 2014 die beiden auf die umweltfreundliche sowie zukunftsgerichtete Energielösung aufmerksam gemacht. 2021 konnte die Anlage die ersten Mistlieferungen entgegen nehmen. Heute speisen rund 20 Landwirtschaftsbetriebe aus der Region ihre organischen Abfällen ein.

Unterirdische Leitungen

Bevor Aurèle Chiffelle und Jean-Luc Bonjour ihr Unternehmen in Angriff nahmen, besichtigten sie verschiedene Anlagen, darunter diejenige von Simon Eschler in Fleurier oder der Familie Veuve in Chézard. Aufgrund dieser Besichtigungen haben die beiden Männer ihr Projekt so gross angelegt. Mehrere Bauernhöfe sind durch unterirdische Leitungen mit der Anlage verbunden, und die Gülle wird dank diesen direkt zugeführt. Im Gegensatz zu anderen Biogasanlagen müssen die Landwirtinnen und Landwirte in der Region ihre Gülle nicht selbst anliefern. Und wenn doch eine Lieferung nötig ist: TeamEnergie SA sammelt die Rohstoffe auf den umliegenden Bauernhöfen und Reitställen ein. Die beteiligten Landwirtinnen und Landwirte sind begeistert. Sie erhalten als Gegenleistung Biogasgülle, die sie bei Bedarf abholen können. Diese hat ganz andere Eigenschaften als nicht vergorene Gülle. Sie kommt als hochwertiger natürlicher Dünger zum Einsatz und hat ein besseres Fliessverhalten sowie deutlich geringere Geruchsemissionen.

Kuhfladen erzeugen Strom

In einer Biogasanlage, wie sie die TeamEnergie SA betreibt, werden hauptsächlich Gülle und Jauche vergärt und in Energie umgewandelt. Ausserdem können bis zu einem Fünftel andere organische Abfallprodukte hinzugefügt werden, beispielsweise Mühlenstaub, Kaffeesatz und Kakaobohnenschalen. Dank diesen methanbildenden Stoffen wird im Methanisierungsprozess aus landwirtschaftlichen oder organischen Abfällen Gas, mit dem nachhaltiger Strom erzeugt werden kann. Die Stoffe werden in einen Fermenter geleitet. Es dauert 55 bis 60 Tage, bis sie in einem gasdichten System (Fermenter und Nachgärer) abgebaut sind. Das freigesetzte Methan wird dann in diesem luftdichten Fermenter gesammelt. Das Treibhausgas – das bei einer Freisetzung in der Atmosphäre umweltschädlicher wäre als CO2 – wird in einem Motor verbrannt, der Strom erzeugt. Beim Verbrennen zerfällt das Methan und ist danach für das Klima nicht länger schädlich ist. Der erzeugte Strom wird von der Firma Fleco Power, einem Schweizer Vermarkter von erneuerbarem Strom, gekauft. Diese leitet die Energie an ein Netz von Verbrauchern weiter. Ein Teil der entstandenen Abwärme wird zur Beheizung der Fermenter genutzt. Die Wiederverwertung der Abwärme wird noch geprüft.

Einige Kennzahlen

  • 22000 So viele Tonnen Mist und Gülle wandelt TeamEnergie jedes Jahr in Strom um.
  • 1000 Die Anlage spart pro Jahr rund 1000 Tonnen CO₂e (Emissionen in CO2-Äquivalenten) ein. Das entspricht ungefähr den Emissionen von 500 Flügen von Zürich nach New York.
  • 630 Jährlich erzeugt die Biogasanlage so viel Energie, dass damit 630 Haushalten ein Jahr lang genug Strom haben.

Die grosse Überzeugung zweier Landwirte

Aurèle Chiffelle ist sich sicher: «Das Projekt hätte ohne die Schweizer Berghilfe nicht realisiert werden können. Dank der finanziellen Unterstützung konnten Mittel bereitgestellt werden, und die Bank gab grünes Licht.» Das Projekt ist Bestandteil der Massnahmen der Schweizer Berghilfe zur Förderung erneuerbarer Energien und zur Senkung der CO2-Emissionen. Es ist offensichtlich, dass das Projekt zum aktuellen Klimageschehen passt und einem dringenden Bedarf an erneuerbarer Energie entspricht. Das Projekt verlief ohne grössere Probleme und stiess in der Region auf keinerlei Widerstand. Es wird zweifellos auch in Zukunft erfolgreich sein. Es brauchte jedoch die tiefe Überzeugung zweier Landwirte, um ein solches Projekt zu verwirklichen.

Text: Christine Urfer

Bilder: Yannick Andrea

Erschienen im November 2022
Die Schweizer Berghilfe leistet finanzielle Unterstützung, wenn das Geld nicht ausreicht, um ein zukunftsweisendes Projekt zu realisieren.