Zukunft gesichert
Der Zufahrtsweg zum Bauernhaus der Grossfamilie Geissbühler war in sehr schlechtem Zustand. Kurzerhand befestigen sie die Strasse mit zwei Fahrspuren aus Beton.
Der Zufahrtsweg zum Bauernhaus der Grossfamilie Geissbühler war in sehr schlechtem Zustand. Kurzerhand befestigen sie die Strasse mit zwei Fahrspuren aus Beton.
Wenn das Wetter im Winter ganz schlecht ist, dann kommt man mit dem Auto fast nicht mehr weg vom Bauernhaus der Grossfamilie Geissbühler. Ein Problem für die älteren Kinder, die nun auswärts arbeiten. Damit sie weiterhin zu Hause wohnen können, befestigen Geissbühlers die Zufahrtsstrasse mit zwei Fahrstreifen aus Betonplatten. Vreni und Hansueli Geissbühler erzählen.
Vreni Geissbühler: «Ja, ich bin gläubig. Das wollen immer alle wissen, wenn sie erfahren, dass ich 13 Kinder habe. Dabei hat die Anzahl meiner Kinder mit meinem Glauben gar nichts zu tun. Ich hatte schliesslich schon sieben, bevor ich zu Gott gefunden habe. Ich wollte einfach immer eine grosse Familie. Dass sie so gross geworden ist, hatte ich zwar nie geplant, aber auch sonst ist in meinem Leben ja vieles unerwartet geschehen. Wenn mir jemand mit 20 erzählt hätte, dass ich mit 44 Jahren Mutter von 13 Kindern sei und glücklich zuhinterst in einem Chrachen im Emmental als Bergbäuerin lebe – ich hätte ihn ausgelacht. Aufgewachsen bin ich im Appenzellerland. Ich heiratete, zog an den Bodensee und war dort Bäuerin. Alles war gut, ich bekam meine erträumten vielen Kinder. Bis es sich nicht mehr verdrängen liess, dass die Ehe zum Scheitern verurteilt war. Ich fand mich zurück im Appenzellerland, alleine mit acht Kindern. Ich wusste, dass ich gerne wieder eine richtige Familie hätte, aber zur Partnersuche fehlte mir die Zeit. Und wer will schon eine Frau mit acht Kindern?»
Hansueli Geissbühler: «Die Kinder von Vreni haben mich nie abgeschreckt. Im Nachhinein bin ich darüber selbst etwas überrascht. Ich bin eigentlich kein mutiger Typ, habe Angst vor Veränderungen. Aber das mit Vreni, das hat einfach gepasst. Ich glaubte ja schon fast nicht mehr daran, dass ich noch eine Frau finden würde. Das ist nicht leicht als Bergbauer. Die wenigsten Frauen wollen sich auf ein bescheidenes Leben voller Arbeit weit ab vom Schuss einlassen. Meinem Bruder ging es genau gleich. Wir führen den Betrieb gemeinsam, in der 17. Generation. Damals, vor gut 17 Jahren, wohnten wir als schon bald 40-Jährige immer noch bei den Eltern. Ich hatte mich schon mit einer Zukunft als Junggeselle abgefunden, als ich über einen Mann aus der Ostschweiz, der bei uns Ferien auf dem Bauernhof machte, Vreni kennengelernt habe.
Wir verliebten uns – aber hatten kaum Zeit, zusammen zu sein. Sie war von ihren Kindern in Beschlag genommen und ich konnte wegen dem Betrieb auch nicht ständig in die Ostschweiz reisen. Darum sahen wir uns nur ein, zwei Mal im Monat. Ich hab in der Zeit so viel geschrieben wie sonst nie in meinem Leben. Ich war sehr froh, als Vreni sich bald dazu entschied, zu mir zu ziehen. Allerdings gab es da ein Platzproblem: Ich wohnte mit meinem Bruder zusammen im Bauernhaus. Weil er selbst per Zufall genau zur gleichen Zeit eine Frau gefunden hatte, waren es nun plötzlich nicht mehr zwei Personen, die hier leben sollten, sondern zwölf.»
Vreni Geissbühler: «Ich sagte zu Hansueli: «So geht das nicht. Das Bauernhaus ist zu klein für zwei Familien. Das würde nur Probleme geben.» Glücklicherweise besass die Familie einen halben Kilometer vom Hof entfernt noch ein altes Haus, in dem früher die Taglöhner gewohnt hatten. Es war in einem schlechten Zustand, aber wir konnten es sanieren, und es wurde unser Zuhause. Wir schafften das nur, weil wir viel selbst machen konnten und weil uns die Schweizer Berghilfe unterstützte. Unser Einzug hat das Leben hier oben schon durcheinandergebracht. Ich habe ja nicht nur einen Mann geheiratet, sondern seine ganze Familie mit. Und er nicht nur mich, sondern auch meine Kinder.
Zu meinen bisherigen acht Kindern sind seither noch fünf gemeinsame mit Hansueli dazugekommen. Der Kleinste, Martin, ist jetzt sechs. Die ältesten sind inzwischen ausgezogen, und ich bin schon achtfache Grossmutter. Zu Höchstzeiten lebten wir zu dreizehnt in unserem Haus, jetzt sind wir noch zehn. Ich hoffe, dass die Grossen, die bereits arbeiten, auch noch eine Weile hier bleiben. Einerseits, weil ich sie gerne noch etwas bei mir habe, andererseits aber auch, weil sie einen wichtigen Beitrag an unser Einkommen leisten. Wir sind zwar zu einem hohen Grad Selbstversorger und brauchen keinen Luxus, dennoch reicht das Geld nur knapp. Für Sepp und Jakob, die beide als Milchchauffeure arbeiten und deshalb morgens oft sehr früh raus müssen, wurde unsere Zufahrt zum Problem. Der Schotterweg ist besonders im Frühling oft in einem schlechten Zustand. Dass dabei an den Autos immer wieder etwas kaputtgeht, ist ja noch hinzunehmen. Aber dass der Weg bei sehr schlechtem Wetter manchmal nicht befahrbar ist, das geht nicht. Darum werden wir den Weg mit zwei Fahrspuren aus Betonplatten befestigen, sobald die nötigen Bewilligungen da sind. Den steilsten Teil unserer Zufahrt haben wir bereits vor einigen Jahren auf diese Weise entschärft. Das System bewährt sich. Die Platten werden uns grosse Vorteile bringen. Eigentlich ist das Ganze ja kein riesiges Bauwerk, vor allem, weil meine Männer einen grossen Teil der Arbeit selbst erledigen können. Aber aus eigener Kraft finanzieren können wir das Projekt leider dennoch nicht. Deshalb sind wir sehr dankbar, dass uns die Berghilfe 15 Jahre nach unserer Haussanierung erneut unterstützt. So hat unsere Familie weiterhin eine Zukunft hier oben.»