Zwischen Stall und Wald
Markus Gerber ermöglicht mit seiner kleinen Holzer-Firma einer Handvoll weiterer Bauern einen wichtigen Nebenerwerb.
Markus Gerber ermöglicht mit seiner kleinen Holzer-Firma einer Handvoll weiterer Bauern einen wichtigen Nebenerwerb.
Die Arbeit im Wald gehört für Familie Gerber aus Schangnau bereits seit Generationen zum Bauern-Alltag dazu. Markus Gerber hat die Familientradition auf die nächste Stufe gehoben.
Treffpunkt ist um 9 Uhr auf dem Hof von Familie Gerber. Nacheinander treffen Adrian Rubin und Jonas Jutzi ein. Man wechselt ein paar Worte, dann zwängen sich alle in den alten Kombi von Markus Gerber und fahren los. Im Auto riecht es nach Benzin, Harz und Sägemehl. Zwanzig Minuten später hält das Auto mitten im frisch verschneiten Wald. Arbeitsbeginn für die Holzer vom Emmental. Nicht umsonst fangen sie so spät an. Von den Männern hat keiner ausgeschlafen. Alle haben bereits den Stall gemacht und ihre Kühe gemolken, bevor sie in ihre Holzer-Kleider stiegen und zu Gerbers auf den Hof im Grun, in der Nähe von Schangnau, fuhren.
Für die Bauern der Region ist Gerbers Holzer-Firma ein Glücksfall. «Bei einem normalen Forst-Unternehmen könnte ich nicht arbeiten gehen», sagt Adrian. «Als Landwirt bin ich auf ungewöhnliche Arbeitszeiten angewiesen. Hier wird das nicht nur akzeptiert, hier will es der Chef selbst auch nicht anders.» Markus hat rund ein Dutzend Bauern wie Adrian, die er für Holzer-Einsätze anfragen kann. Insgesamt kommen so etwa zwei Vollzeitstellen zusammen, die er mit seinem kleinen Unternehmen anbietet. Kunden sind private Waldbesitzer, aber auch Gemeinden.
Markus hat sich auf schwierige Schläge in steilem Gelände spezialisiert. Gefällt und gerüstet werden die Stämme von Hand mit der Motorsäge. Schwere Geräte wie Vollernter, die bei grossen Forstbetrieben im Einsatz stehen, sucht man vergebens. Dennoch musste Markus viel Geld in Maschinen investieren. Unverzichtbar ist im steilen Gelände vor allem eine Seilbahn, mit deren Hilfe die Stämme zu einem Ladeplatz für Lastwagen transportiert werden können. Als die alte Seilwinde, die Markus occasion gekauft hatte, im vergangenen Frühling plötzlich den Geist aufgab, war das ein herber Schlag. Ohne Seilwinde kann er nicht arbeiten. Darum mietete er kurzfristig Ersatz, doch das war auf Dauer viel zu teuer. Einfach so kaufen konnte er eine neue Seilwinde aber auch nicht. Trotz eines Privatdarlehens aus der Verwandtschaft und dem Einsatz des gesamten Ersparten reichte das Geld nicht. «Dass mir die Schweizer Berghilfe aus der Klemme geholfen hat, war für mich Gold wert», sagt der 34-jährige Familienvater.
Wenige Tage nach dem positiven Bescheid konnte er die neue Seilwinde aus Schweizer Produktion bereits in Betrieb nehmen. Sie hat sich bestens bewährt. Das bestätigt auch Adrian, der heute Windendienst hat. «Sie ist etwas stärker und alles geht dadurch viel schneller.» Die Arbeit an der Winde ist zwar körperlich am wenigsten streng, dennoch ist sie nicht besonders beliebt. «Man muss sich wahnsinnig konzentrieren, und weil man sich nicht bewegen kann, wird einem schnell kalt», sagt Adrian. Per Funk ist er mit Markus auf dem Abladeplatz und mit Jonas mitten im Hang verbunden. Sobald Jonas Holz angehängt hat, gibt er Adrian Bescheid. Dann lässt dieser die Seilbahn ganz nach unten fahren. Sobald dort Markus alle Stämme abgehängt hat, kommt wieder per Funk die Anweisung, das Seil bis auf die Höhe von Jonas hinaufzuziehen. Immer und immer wieder. Über zu wenig körperliche Arbeit kann sich Jonas, der 50 Höhenmeter weiter unten arbeitet, nicht beklagen. Zwar sind alle Bäume schon gefällt, aber auch das Anhängen hat es in sich. Zumindest wenn nach dem Fällen 20 Zentimeter Neuschnee Stämme, Aste, Wurzelstöcke und Felsen zugedeckt hat. Dann muss man jeden Stamm von Hand ausgraben.
Der Chef arbeitet heute zuunterst. Er hängt nicht nur die per Seilbahn ankommenden Stämme ab, er sortiert sie mit Hilfe eines Greifkrans. Für den Laien mögen alle Stämme gleich aussehen. Profis können aber auf den ersten Blick die unterschiedlichsten Qualitäten unterscheiden. Der aktuelle Schlag gefällt Markus: «Es hat viel gutes Bauholz dabei.» Und schon kommt die nächste Ladung per Seilbahn. So geht es weiter bis gegen 16 Uhr. Dann müssen Markus und seine Arbeiter Schluss machen. Die Kühe wollen auch am Abend gemolken werden.