Strom und Wärme – alles von der Sonne

Wenn nicht gerade Nacht ist, dann scheint im Weiler Craistas im Val Müstair meistens die Sonne. Familie Lamprecht macht sich das zu Nutzen und kann neu viel Strom, aber auch viel Brennholz sparen

Die Aussicht ist grandios vom Hof der Familie Lamprecht im Weiler Craistas. Der Blick ins Tal schweift ungehindert von Sta. Maria im Osten bis fast zum Ofenpass im Westen. Und nicht nur die Sicht ist unverstellt. Auch dem Lauf der Sonne steht von Auf- bis Untergang nichts im Weg. Ideale Voraussetzungen also für Solarenergie.

Das Projekt in Kürze

  • Landwirtschaftsbetrieb
  • Photovoltaikanlage
  • Craistas/GR

Das wollen Lamprechts ausnützen. Seit vergangenem Frühling sind sie stolze Besitzer einer thermischen Solaranlage für Heizung und Warmwasser, und sobald der Elektriker Zeit hat, die neue Photovoltaikanlage auf dem Dach des Stall-Anbaus anzuschliessen, werden sie auch ihren eigenen Strom produzieren können. «Wir sind stolz darauf, dann deutlich umweltfreundlicher unterwegs zu sein», sagt Carmen.

Vor allem die Solaranlage fürs Warmwasser bedeutet aber auch einen grossen Komfort gewinn für die ganze siebenköpfige Patchworkfamilie. Das Bauernhaus, in dem Reto aufgewachsen ist, wurde nämlich lediglich mit dem Kachelofen und einem kleinen Tiba-Herd geheizt. Es gab zwar Radiatoren in den Zimmern, aber keinen Speicher. Somit wurde es jeweils gleich wieder kalt, sobald das Feuer im Herd ausging. Die Folge: «Wir verbrannten Holz wie blöd», wie Reto sagt. Manchmal habe er das Gefühl gehabt, laufend entweder am Einheizen oder am Holzen zu sein. «Wir haben bereits in den ersten Monaten gemerkt, wie viel die Solaranlage bringt», sagt er «Wir verbrauchen nicht mal mehr halb so viel Holz.»

Betrieb mit vielen Standorten

Das gibt Reto und Carmen mehr Zeit, die sie für ihre Mutterkühe, für die Schweine, die Direktvermarktung des Fleisches aufwenden können. Und natürlich für die Familie. Julia, die älteste von Carmens beiden Töchtern, geht im Engadin ans Gymnasium und ist während der Woche nur noch selten zu Hause, und bei Sofia steht auch schon bald die Berufswahl an. Aber vor allem die drei gemeinsamen Buben im Kindergarten- und Primarschulalter benötigen noch viel Zeit und Aufmerksamkeit. Daneben haben Lamprechts gemeinsam mit Retos Eltern, mit denen sie den Hof in einer Generationengemeinschaft führen, in den letzten zehn Jahren ein Agrotourismus-Angebot aufgebaut. Am zweiten Standort des Betriebs, im Tal unten, wo die ältere Generation wohnt und sich um das Jungvieh kümmert, beherbergen sie Gäste, die sie in den Hofalltag einbinden. Die Offenheit der Lamprechts gibt den Gästen fast das Gefühl, ein Teil der Familie zu sein. Es ist auch diese Offenheit und Toleranz, die dafür sorgt, dass hoch über dem Val Müstair das Konzept Patchwork-Familie funktioniert. So ist etwa Carmens Ex-Mann regelmässig zu Besuch, um Zeit mit einen Töchtern zu verbringen. Dann ist er Teil der Familie, kocht für alle und packt auch mal auf dem Hof mit an. Holz hacken wird in Zukunft weniger zu diesen Aufgaben gehören. Aber dafür vielleicht ab und zu mal aufs Vordach steigen und frischen Schnee von den Photovoltaik-Panels wischen.

pütschaijosom.ch


Text: Max Hugelshofer
Bilder: Yannick Andrea

Erschienen im Februar 2024

Die Unterstützung

Familie Lamprecht im Val Müstair konnte beim Bau ihrer Solaranlage auf Unterstützung der Schweizer Berghilfe zählen. Jetzt sorgen Panels an der Hausfassade für Warmwasser und solche auf dem Dach des Stallanbaus und an der Stallfassade für eigenen Strom.
Was Sie tun können
Die Schweizer Berghilfe leistet finanzielle Unterstützung, wenn das Geld nicht ausreicht, um ein zukunftsweisendes Projekt zu realisieren.