Seenglück über dem Vereina-Tunnel

Drüber wandern, wo der Vereinatunnel den Berg durchsticht, war das Ziel. Entdeckt haben wir beim Jöripass neun Bergseen, wovon keiner gleich war.

Gemächlich von der Wägerhütta zur Jöriflüelafurgga

Von unten kennen viele den Vereinapass - als Tunnel. Ich will wissen, wie er obendrauf aussieht. Als ich auf der Karte in der Nähe des Vereinapasses die Jöriseen entdecke, ist klar: Da soll es hin. Auf der Rundwanderung sind rund 900 Höhenmeter hinauf und wieder hinunter zu bewältigen. Trotzdem kann ich meine Familie zu dem kleinen Abenteuer überreden.

Ab Davos geht es mit dem Bus Richtung Flüelapass. Bei der Station Wägerhütta laufen wir los. Schon nach einer halben Stunde hört man die Autos und Töffs auf der Flüelapass-Strasse kaum noch. Rundum grüne Wiesen, vereinzelt noch mit Alpenblumen durchsetzt. Es verspricht wieder ein heisser Tag zu werden. Da werden die vielen Seen unterwegs willkommene Abkühlung bieten.

Nach knapp 40 Minuten erreichen wir den ersten Bergsee. Zeit für eine kleine Rast inmitten grüner Alpwiesen. Die ist auch dringend nötig, denn weiter oben erhebt sich der kleine, aber steile Grat zur Jöriflüelafurgga. Der wird uns noch etwas Schweiss kosten, denken wir. Wieder unterwegs zeigt sich aber: Der Schlussanstieg ist gar nicht so steil, weil der Weg in einer längeren Schlaufe den Hang entlangzieht.

Steckbrief

  • Kanton Graubünden
  • Sprachregion Deutsch
  • Kategorie Wanderung
  • Schwierigkeitsgrad Mittel

Vom Jöripass hinunter zu den eindrucksvollen Jöriseen

Auf der Furgga öffnet sich der Blick Richtung Vereinapass und ins Engadin - der Piz Linard lugt hinter kleineren Gipfeln hervor. Und da oben wird uns klar: Das steilste Stück der ganzen Route kommt erst noch. Kurz nach dem Pass fällt der Fels steil ab, ein ca. 50 Meter langes Wegstück ist mit Seilen in der Wand gesichert. Wir sind alle schwindelfrei, doch unseren Sohn nehmen wir sicherheitshalber doch noch an ein Sicherungsseil.

Danach geht es nur noch gemächlich hinunter – zum ersten der beiden grossen Jöriseen. Er leuchtet uns milchig-türkisfarben entgegen. Am Ufer entscheiden wir, den Wanderweg zu verlassen, um entlang der südlichen Seeseite das grosse Delta am Ende des Sees erkunden zu können. Unterwegs begegnen uns einige Frösche und sogar zwei Hermeline. Das gesamte Ufer ist gesäumt von blühenden Disteln. Die bieten jetzt im späten August wichtige Nahrung für viele Insekten. Und da entdecken wir überrascht etliche Taubenschwänzchen – die Schwärmer sind auch als Kolibirifalter bekannt. Und das auf 2400 Meter Höhe über Meer. Normalerweise schwirren die ausdauernden Flieger höchstens bis auf rund 1500 Meter Höhe hinauf.

Türkisblaues Eiswasser lockt

Ein mutiger Schwumm im eisigen See, und wir steigen über Geröllfelder wieder hoch – langsam und anscheinend auch leise genug: Als wir um einen kleinen Steinwall herumkommen, erklingt ein leises Gurren. Über 15 Schneehühner tummeln sich zwischen den Steinen. So viele haben wir noch nie aufs Mal gesehen. Sie entdecken uns zwar sofort, trippeln dann aber trotzdem ganz gemächlich den Hang hoch.

Auch wir ziehen weiter. Die Landschaft hat komplett gewechselt, um uns herum sind nur noch Steine und Geröllfelder, die Sonne brennt nieder. Der nächste See ist fast komplett ausgetrocknet, was aber unseren Sohn nicht daran hindert, genüsslich im Schlamm herumzuwaten. Nochmals 250 Höhenmeter weiter erreichen wir die letzten drei Seelein, kurz unterhalb der Winterlücke. Hier lohnt sich definitiv ein Blick zurück, im Wasser spiegelt sich der kräftigblaue Himmel, darüber thront der Piz Linard jetzt mächtig. Nur ungern verabschieden wir uns etwas wehmütig von der Engadiner Seite, und machen uns an den Abstieg.

Bloggerin: Alexandra Rozkosny

Erschienen im August 2020