«Es sind die Menschen, die den Unterschied ausmachen»

Die Firma B. Braun stellt lebenswichtige technische Einzelteile für die Medizin her. So auch mitten im Entlebuch und für die ganze Welt. Dafür betreibt die Hightechfirma ihren Maschinenpark 24 Stunden am Tag, an sieben Tagen die Woche. Doch Armin Bieri weiss: Erst wenn die Menschen gern zusammenarbeiten, ist die Firma konkurrenzfähig.

«Kein Makeup bitte, und Schmuck auch gern zu Hause lassen», so lautet die Anweisung für meinen Besuch bei Armin Bieri. Nicht weil er persönlich etwas dagegen hätte. Nein. Armin Bieri arbeitet bei B. Braun Medical in Escholzmatt. Es ist eine von drei Produktionsstätten der Schweizer Tochtergesellschaft des internationalen Medizintechnikkonzerns. Und da gelten strenge Hygenievorschriften. Mitten im Entlebuch – dem Land der Kühe, Schafe und steilen Grasflanken – gibt es diese Gegenwelt, deren Kontrast zur Natur rundum kaum grösser sein könnte. B. Braun stellt hier hochpräzise, medizinische Einmalprodukte her. B. Braun hat vor 52 Jahren in Escholzmatt die Produktion von Spritzen, Hähnen und Ports gestartet. Die Firma stellt hier vieles her, was in der Medizin von der Maschine bis zum Menschen hin zum Einsatz kommt. Gestartet hatte die Fabrik mit fünf Angestellten. Heute sind es rund 300.

24-Stunden-Betrieb

Im Herz des Betriebes, dem Reinraum, herrschen praktisch keimfreie Bedingungen. Hinein gelangen Mitarbeitende nur durch eine mehrfach gesicherte Hygieneschleuse. Auch ich muss da durch. Eingekleidet in einen blauen Overall, eine weisse Kopfhaube und gereinigten Spezialschuhen stehe ich mit Armin vor einer Schiebetür. Ein leises Zischen und sie gibt den Blick frei in die grossen Produktionshalle. Eine Maschine reiht sich an die nächste – insgesamt gibt es rund 100 davon. Sie wirken alle wie hochpräzise Kopien von Jean Tinguelys Werken. In jeder von ihnen greifen zig glänzende Roboterarme, Rollbänder, Pressen im Sekundentakt ineinander, es zischt, klappert, rumpelt. Jede der Maschinen produziert ein anderes Einzelteil aus Kunststoff auf wenige Hundertstelmillimeter genau, 24 Stunden am Tag. Rund 1,2 Millionen fertige Produkte verlassen das Werk täglich. Dazwischen sieht man einige Menschen. Sie schieben Kisten mit halbfertigen Elementen zur nächsten Maschine. Oder kontrollieren eine Fehlermeldung. Es scheint, als ob der Mensch hier bloss noch Staffage wäre. Doch das täuscht.

Die Maschine in Schuss halten und reparieren können nur Menschen

«Der Mensch ist hier das Wichtigste», sagt Armin Bieri mit Nachdruck. «So präzise die Maschinen auch arbeiten: Irgendwo klemmt es früher oder später, hat sich das Werkmaterial vielleicht verändert, greift ein Arm nicht mehr richtig. Und dann braucht es Menschen mit entsprechendem Know-how, die schnell und ruhig reagieren und die Maschine reparieren. Denn die Geräte müssen möglichst 24 Stunden am Tag laufen, sonst sind sie nicht rentabel.» Im Reinraum arbeiten täglich rund 150 Menschen über drei Schichten verteilt. Vielfach führen sie eine repetitive Arbeit aus, die aber höchste Konzentration erfordert. «Das ist immer wieder mit Herausforderungen verbunden. Denn es geht schlussendlich ja um Zeit und Geld, ein gewisser Druck bei sehr hohen Qualitätsanforderungen ist Teil der Arbeit hier», erklärt Armin. Und damit sind wir beim Kernthema des 42-Jährigen: der Organisationsentwicklung: «Es ist eigentlich ganz einfach: Wenn sich die Mitarbeitenden hier nicht wohlfühlen – am Arbeitsplatz und im Team – dann sinkt die Motivation und dann kann ein komisches Klackern einer Maschine auch mal überhört werden», führt er aus, «oder wenn die Hierarchien zu bestimmend sind, trauen sich Mitarbeitenden nicht, den Vorgesetzen Fehler zu melden.» So oder so sei das Ergebnis dasselbe: Ein kleiner Fehler in der Maschine wachse sich zu einem grösseren Problem aus. Statt eine halbe Stunde brauche es unter Umständen mehrere Tage, bis sie wieder laufe. Verluste von mehreren hunderttausend Franken sind das Resultat.

Entlebuchs Hightechfirmen

Es mag überraschen, aber das Entlebuch verfügt dank zweier internationaler Firmen auch über hunderte von hochspezialisierten Arbeitsplätzen. Neben B. Braun hat auch Elektrisola seine Schweizer Niederlassung in Escholmatt. Der Betrieb produziert feinste Drähte.

Präzise Routine einhalten ist anstrengend

Als Armin Bieri vor über 20 Jahren seine Lehre als Polymechaniker bei B. Braun absolvierte, da habe noch ein anderes, etwas hierarchischeres Klima geherrscht. Doch der Sohn eines Entlebucher Bergbauern war es gewohnt, mit anderen auf Augenhöhe zusammen zu arbeiten. Sechs Geschwister hat er. «Zum Heuen brauchte es jeden von uns», erinnert er sich. Seit seiner Weiterbildung zum Kunststofftechniker und später zum Wirtschaftsingenieur, ist er bei B. Braun nach und nach in die Organisationsentwicklung gerutscht und hat das Arbeitsumfeld der Firma massgeblich mitgeprägt. «Schlussendlich sind es Menschen, die den Unterschied ausmachen. Es braucht Abläufe, die für Menschen gemacht sind – nicht für die Maschinen. Das Umzusetzen hat mich gepackt.»

Text und Bilder: Alexandra Rozkosny

Erschienen im September 2025