Ein Leben mit Windrädern

Roland Aregger hat keine Berührungsängste mit Windturbinen. Im Gegenteil: Auf dem Hof seines Bruders im Entlebuch, wo er selbst aufgewachsen ist, baute er zusammen mit seinen zwei Brüdern und seinem Vater gleich zwei grosse Windenergieanlagen. Auf die Idee eines eigenen Windrads kam der gelernte Landwirt wegen eines Fernsehbeitrags Anfang der 1990er-Jahre.

Noch stehen die Rotoren der beiden Windräder auf dem Hof Feldmoos oberhalb von Entlebuch still. An diesem bewölkten Samstagmorgen lässt der Wind auf sich warten. So auch Roland Aregger. Zwei Besucher aus Basel werden von seinem Sohn Lukas empfangen: «Mein Vater ist noch mit einer Gruppe oben auf dem Windrad», sagt der 17-jährige Geomatiker in Ausbildung. Lukas hilft seinem Vater ab und zu bei den Gruppenführungen. Denn die beiden unübersehbaren Windräder locken viele Neugierige aus der ganzen Schweiz an. Maximal drei Personen nimmt Roland aufs Mal hoch auf die Windanlage. «Halloooo», ruft plötzlich eine Stimme aus 60 Metern Höhe hinunter. Es ist Roland, der ein Zeichen gibt, dass er sich jetzt mit der Gruppe an den Abstieg macht.

Fakten zum ersten Windrad

  • Baujahr 2005
  • Höhe 60 Meter
  • Durchmesser Rotor 52 Meter
  • Deckung Strombedarf ca. 300 Haushalte pro Jahr

60 Meter senkrecht die Leiter hinauf

Unten angekommen, verabschiedet Roland die eine, und begrüsst dann die andere Gruppe. «Willkommen bei uns im Entlebuch, ich bin Roland», heisst der 51-jährige seine Gäste willkommen. Nach kurzer Instruktion und ausgerüstet mit Helm, «Gstältli», Handschuhen und gutem Schuhwerk gehts dann an den Aufstieg. Das 60 Meter hohe Windrad wird gesichert mit einer senkrechten Leiter im Innenbereich des Masts erklommen. Auf halber Höhe gibt es für alle eine Verschnaufpause. Diese Zeit nutzt Roland, um ein paar Fakten loszuwerden. «Wir haben die Anlage im Jahr 2005 gebaut. Von der Idee bis zur Realisierung dauerte es rund zehn Jahre», erzählt Roland. Er ist der Geschäftsführer der Windpower AG. Also von jener Firma, die die beiden Windräder auf dem Hof Feldmoos betreibt. Gehören tut das Familienunternehmen ihm, seinen zwei Brüdern und seinem Vater. Der Hof, auf dem die beiden Windräder stehen, wird von Rolands Bruder geführt. Auf die Idee einer Windkraftanlage brachte Roland ein Fernsehbeitrag Anfang der 1990er-Jahre über das erste Windrad in der Schweiz. «Ab da liess mich das Interesse an Windrädern nicht mehr los», erzählt Roland. «Weil zur damaligen Zeit die Einspeisetarife aber ziemlich tief waren, hatten wir die Idee von einer eigenen Anlage wieder relativ schnell beiseitegelegt». Beiseitegelegt, aber nicht verworfen. Sechs Jahre später sah er in einem deutschen Landwirtschafts-Magazin einen Artikel über seine heutigen Anlagen. Roland griff das Thema nochmals auf. «Beim zweiten Anlauf waren dann auch die Vergütungen für das Einspeisen von Strom höher und die Anlagen leistungsfähiger. So wurde der Betrieb eines Windrads auch wirtschaftlich tragbar», sagt Roland. Danach nahm das Projekt richtig an Fahrt auf: Windmessungen wurden durchgeführt, unzählige Abklärungen gemacht und viele politische Hürden genommen, bis im Oktober 2005 die erste Anlage endlich installiert und in Betrieb genommen werden konnte. Eine zweite Anlage kam 2011 dazu. Heute produzieren beide Anlagen zusammen im Jahr Strom für rund 500 Haushalte.

Viele Hürden

«Also, nehmen wir noch die nächsten 30 Meter in Angriff», sagt Roland und klettert wieselflink voraus die Aluminium-Leiter hoch. Die letzten Meter haben es in sich, dann wird es nämlich immer enger im oberen Bereich der Anlage. Doch auf dem Kopf der Anlage angekommen, irgendwo zwischen Getriebe und Generator, wird die Gruppe mit einer wunderschönen Aussicht über das Entlebuch belohnt. Langsam kommt auch der Wind auf. «Keine Sorge, die Flügel beginnen nicht zu drehen. Die Anlage ist ausgeschaltet», sagt Roland. Die Entlebucher Windräder gehören heute mit ihren rund 60 Metern Höhe und 52 Metern Rotordurchmesser eher zu den kleineren Vertretern. Zwischenzeitlich sind auch in der Region viel grössere Windränder in Planung, wie zum Beispiel im 45 Autominuten entfernten Eriswil im Kanton Bern. Dort soll das grösste Windrad der Schweiz mit einer Höhe von 160 Metern und 50 Metern Rotordurchmesser entstehen. Also etwa doppelt so gross wie die Anlagen von Roland. Gegen dieses Projekt regt sich auch Widerstand. Lärm, Schattenwurf und andere Risiken für Mensch und Tier werden befürchtet. Für solche Bedenken hat Roland Verständnis, ist aber überzeugt, dass man durch den frühen Dialog solche Ängste vermeiden kann. «Ich finde es wichtig, dass man gleich von Beginn weg das Gespräch mit den Anwohnern sucht. So lassen sich in den allermeisten Fällen die Bedenken und Ängste vermeiden. Wenn aber Anwohner vor vollendete Tatsachen gestellt werden, ja dann ist klar, dass sich Widerstand regt», sagt Roland. Auch er musste bei der Planung seiner Windränder die Nachbarschaft von Beginn weg einbeziehen und bei der Bevölkerung viel Überzeugungsarbeit leisten. Das mit Erfolg. An der Gemeindeversammlung 2003 wurde einstimmig beschlossen, das Land, auf dem heute Rolands Windräder stehen, als Sonderzone für Windkraftanlagen festzulegen. Damit erhielt Roland schlussendlich grünes Licht für den Bau.

Windrad im Kleinformat

Mit seiner Firma Windpower AG plant und berät Roland Aregger rund um das Thema Windenergie. Dabei setzt er auch auf kleine Windkraftanlagen für den Eigenverbrauch.

Wie das Plätschern des Brunnens

Für Roland sind seine beiden Windräder längst zur Normalität geworden. Das Rauschen der Rotoren registriert er kaum noch. «Das ist wie mit dem Plätschern des Brunnens. Das nehme ich auch nur noch wahr, wenn ich mich darauf konzentriere», sagt Roland. Was er aber nicht schönreden will ist der bewegte Schattenwurf, wenn die Rotoren drehen: «Das kann ich gut verstehen, dass das einige stört. Vor allem im Winter, wenn die Sonne tiefer steht. Deshalb stellen wir in dieser Jahreszeit die Anlage auch zu gewissen Tageszeiten ab. Dann ist der Schatten der Anlage zwar noch da, aber der statische Schatten ist deutlich weniger störend».

Mittlerweile wird der Wind stärker. «Hat jemand noch eine Frage? Sonst würde ich jetzt gerne die Anlage einschalten und Strom produzieren», schmunzelt Roland. Die Gruppe bereitet sich auf den Abstieg vor und begibt sich wieder ins Innere des Windrads. Die Rotoren fangen an zu drehen und die Anlage schwankt leicht hin und her. Nun fühlt es sich an, als wäre man im Bauch eines Schiffs auf hoher See. Doch statt aufs weite Meer hinaus geht es jetzt die 60 Meter lange Leiter wieder hinunter – dieses Mal aber ohne Pause.

Text und Bilder: Lukas Ziegler

Erschienen im September 2025

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