Eine rundum gefreute Sache

Geduld, Geschick, Zange, Schutzbrille und Handschuhe. Das brauchen Dorli und Hanspeter Winkler, um aus altem Stacheldraht Kunst zu machen. Die «chugu-runden» Objekte verkaufen sie zu Gunsten der Schweizer Berghilfe.

In allen Grössen stehen sie im Garten von Dorli und Hanspeter Winkler: rostige Kugeln aus altem Stacheldraht. Teils der Grösse nach aufgereiht, teils in kleinen Grüppchen drapiert, machen sie eine gute Falle rund um das abgelegene ehemalige Bauernhaus in Gurzelen in der Nähe von Thun. Und es werden immer mehr. Allerdings soll ihre Zahl bald schon wieder abnehmen. Dorli und Hanspeter wollen möglichst viele von ihnen verkaufen – und zwei Drittel des Erlöses an die Schweizer Berghilfe spenden. Dafür haben sie eine eigene Website gestaltet und Inserate geschaltet.

Angefangen hatte alles auf einer der vielen Wanderungen, die das Rentner-Ehepaar regelmässig unternimmt. Dorli fielen die verrosteten Stacheldrahtrollen auf, die auf vielen Alpen am Wegrand standen und auf die Entsorgung warteten, da die Älpler immer mehr auf Elektrozäune umstellen. «Da könnte man doch etwas draus machen», dachte sich die künstlerisch veranlagte ehemalige IT-Fachfrau. Die Patina des Stacheldrahts faszinierte sie, und in ihrem Kopf begann sie aus dem «dem Alteisen geweihten» Material etwas Neues zu erschaffen. Vor rund einem Jahr machten Dorli und Hanspeter dann Nägel mit Köpfen. Mit einem Inserat in der «Tierwelt» suchten sie verrosteten Stacheldraht – und wurden mit Angeboten geradezu überhäuft. Auf mehreren Touren mit dem grossen Anhänger durch die ganze Schweiz sammelten sie dutzende Rollen des stacheligen Materials ein und machten sich ans Ausprobieren. Hanspeter, der für das Technische zuständig ist, entwickelte eine Art Stützkonstruktion aus Holz, um welche Dorli den Draht rollen kann.

Die Auswahl der geeigneten Drahtstücke ist Dorlis Aufgabe. «Beim Künstlerischen halte ich die Klappe», lacht Hanspeter. «Ich bin nur der Handlanger. » Lage um Lage wird die Kugel dichter. Irgendwann kann Hanspeter die Holzstütze entfernen und die Kugel trägt sich selbst. Doch fertig ist sie noch lange nicht. Hier steht noch etwas vor, dort hat es ein unschönes Loch. Immer wieder tritt Dorli ein paar Schritte zurück und begutachtet die Kugel. Gibt ihr einen Kick und lässt sie über den Terrassenboden rollen. «Sie springt noch zu fest, sie muss möglichst rund werden.» Eine Stunde später zieht Dorli zufrieden die Schutzhandschuhe aus. Eine weitere Kugel ist fertig und warten auf neue Besitzer.

«Uns war klar, dass wir unsere Objekte verkaufen wollen», sagt Dorli. Ebenso klar war, dass sie den Erlös für einen guten Zweck spenden wollten. «Wir sind zum Glück nicht auf die Einnahmen angewiesen. Wenn wir die Spesen decken können, reicht uns das.» Auf die Schweizer Berghilfe als Empfänger sind Winklers schnell gekommen. Dorli: «Das bietet sich ja geradezu an, wenn man bedenkt, woher das Rohmaterial für unsere Kugeln stammt. Aus dem Berggebiet – für das Berggebiet.»

chugurund.ch

Text und Bilder: Max Hugelshofer

Erschienen im Mai 2021